Nachrichten über verschollene Bilder
J ohamüs.
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Gestalten gewagt hätte. Noch weniger aber sind 'die Nachrichten
zwingend. Es ist zuzugeben, dass unser Bild keine Copie, sondern
das Original sein mag, von welchem Vaernewyck, Guicciardini und
van Mander erzählen. Aber wie leicht konnte in den seit der Auf-
stellung des Bildes oder seit dem Tode des Bestellers (1447) ver-
flossenen 100 bis 120 Jahren durch irgend einen Zufall die irrige
Meinung, dass es von Johann van Eyck herrühre, aufgekommen sein,
welche dann Vaernewyck, von dessen künstlerischem Scharfblick wir
durchaus nichts wissen, annahm, van Mander, der das Bild nicht
kannte, nachschrieb, und Guicciardini vielleicht-auch nur von Hören-
sagen in seiner kurzen Notiz berücksichtigen zu müssen glaubte.
Jedenfalls ist es bei unserer sehr unvollkommenen Kenntniss der da-
maligen Meister rathsamer, das Bild namenlos zu lassen, als es den
authentischen Werken Johanns van Eyck zuzuzählen.
Neben den durch ihre Inschrift beglaubigten Bildern wollen wir
diejenigen erwähnen, welche nahestehende Berichterstatter schildern;
sie dienen uns wenigstens dazu, seine Wirksamkeit deutlicher zu be-
stimmen und einen Anhaltspunkt dafür zu finden, welche der namen-
losen Bilder ihm zugeschrieben werden können. Vor Allem kommt
hier Facius in Betracht, der nur vierzehn Jahre nach dem Tode des
Johannes und meistens aus eigner Anschauung die Werke schildert,
welche seinen Ruf in Italien begründeten. Zuerst spricht er von
einem Flügelbilde, das für einen gewissen Baptista Lomellinus, wahr-
scheinlich einen in den Niederlanden wohnenden Italiener, gemalt,
aber schon damals in den Besitz des Königs Alphons von Neapel
gelangt war. Die Mitteltafel enthielt die Verkündigung, bei der er
an der Jungfrau die Anmuth und den züchtigen Ausdruck, an dem
Engel die Schönheit und besonders die Naturwahrheit, des Haares
rühmt. Auf den Flügeln war Johannes der Täufer mit bewunderns-
werthei- Heiligkeit und Strenge der Mienen und auf der andern Seite
St. Hieronymus dargestellt, dieser in seiner Bibliothek, mit meister-
hafter Perspective und so genauer Ausführung, dass man näher tre
tend die Titel der Bücher lesen könne. Auf der Aussenseite dann
die Bildnisse des Lomellinus und seiner Frau, denen bloss die Stimme
fehle, um lebendig zu sein, und zwischen welche, wie durch eine
Ritze, ein Strahl falle, den man für wirkliches Sonnenlicht halten
könne. Noch mehr bewunderte er ein Bild im Besitze des Cardi-
nals Ootavian, eine Badestube von Frauen in vielen verschiedenen
Stellungen, wobei dann ein an der Wand angebrachter Spiegel die
Gegenstände wiederhole, so dass man unter Andern von einer nach
vorn gewendeten Frau auch die Rückseite sehe. Dabei endlich