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Hubert und Johann van Eyck.
Zeit nach der Vollendung des Genter Altars von 1432 bis zu seinem
Tode fallen, sodass es scheint, dass er erst durch das Gelingen dieses
grossen Werkes ermuthigt und veranlasst worden sei, seinen nun
berühmt gewordenen Namen auf seine Arbeiten zu setzen. Die älteste
derselben befindet sich auf einem englischen Landsitze zu Ince Blundel
Hall und trägt die Jahreszahl 1432; die Angabe des Wohnortes:
Brugis, die nur bei dieser Inschrift vorkommt und bei allen anderen
fehlt, deutet darauf hin, dass der Meister erst jetzt von Gent nach
Brügge verzogen war. Es ist ein miniaturartiges Bild von äusserster
Feinheit, Madonna mit dem Kinde unter einem Thronhimmel sitzend,
aber in einem wohnlich ausgestatteten, nur durch ein Fenster beleuchteten
Zimmer. Mutter und Kind sind von ungewöhnlich edeln und freundlichen
Zügen, die Falten des Gewandes aber schärfer und eckiger, als auf dem
Genter Altarl). Von nun an können wir fast alljährlich ein datirtes
Werk nachweisen. Noch von 1482, jedoch aus dem October, ist das
Porträt anscheinend eines Gelehrten, das aus dem Besitze eines Münchner
Privatmannes in den der National-Galerie zu London (Nr. 290) über-
gegangen ist 2). [Es ist ein Brustbild nach links gewandt, hinter einer stei-
nernen Brüstung, auf welcher die Inschrift steht. Der Mann tragt ein
rothes Gewand mit braunem Pelz besetzt, eine grüne Kopfbedeckung, die
Waagen, der es ihm unbedingt zugeschrieben hatte (Kunstwerke und Künstler in
England II. 435) giebt später zu (Handbuch I. 86, 87), dass es geringeres Ver-
standniss und mindere Meisterschaft zeige, als man an ihm gewohnt sei, will dies
aber durch die damalige Jugend des Künstlers erklären. Diese Jugend ist aber
eine völlig unerwiesene Voraussetzung Waagen's. Der Künstler, der im Jahre 1422
Hofmalcr des Herzogs Johann von Luxemburg wurde, muss im Jahre 1421 doch
schon ein reifer Mann gewesen sein. An der Inschrift entsprechen die Buchstaben
allerdings der Zeit, dagegen ist ein andrer Umstand auffallend. Während in allen
anderen Inschriften unseres Meisters das Bild selbst, oder die dargestellte Person,
oder endlich der Stifter redend angeführt ist (Johannes de Eyck me fecit; auf dem
Bilde seiner Ehefrau: Conjux meus J oh. me complevit; Hoc opus fecit fleri magister
Georgius dAe Pala per Johannem de Eyck pictorem) spricht hier der Künstler
selbst: Johes de Eyck fecit. Das ist eine Verschiedenheit, die auf den ersten
Blick sehr geringfügig scheint, aber doch charakteristisch ist und eine andere
Stellung des Künstlers andeutet. Man kann eine solche schwerlich in dieser frühen
Zeit nachweisen. Auch das ist bemerkenswerth, dass die Inschrift sich hier auf
dem Bilde, nicht wie sonst bei van Eyck auf dem Rahmen befindet. [Leider ist das
Werk sehr verdorben und dadurch noch mehr ein endgültiges Urtheil über das-
selbe erschwert]
1) Waagen, Handbuch S. 87. Crowe und Cavalcaselle a. a. O. II. 121 und
deutsche Ausgabe p. S9.
2) Vgl. auch die Beschreibung des Bildes von E. Förster im d. Kunstblatt
1854. S. 37a.