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Hubert und Johann van Eyck.
gemacht und bei allen anderen niederländischen Schriftstellern lässt
sich erweisen, dass auch sie keine andere Quelle hatten, als Vasari.
Dieser aber verfügte in seiner ersten Ausgabe über keine anderen
Nachrichten, als die italienische Tradition, die auf der Thatsache der
neuen Malweise in den Bildern J ohann's beruhend, eigentlich nur eine
Vermuthung über die Entstehung derselben ausspraeh. Dies zeigt
sich in ihrer ersten Fassung, wie wir sie bei Facius finden, ganz deut-
lich, während Vasari sie nach seiner gewöhnlichen Weise weiter aus-
gemalt hat und wie eine ihm genau bekannte Geschichte erzählt.
Bei der zweiten Ausgabe benutzte er zwar den Bericht des Lam-
psonius, der aber über die Frage jener Erfindung nichts wusste, als
was er durch Vasarfs Buch erfahren. Dabei hatte es dann sein Be-
wenden, so dass van Mander und alle späteren Schriftsteller sich be-
gnügten, dem Vasari nachzuschreiben. Wir haben es daher mit Vasari
allein zu thun und sind keinesweges an seine oder seiner Vorgänger
Vermuthungen gebunden, sondern zumal da wir durch urkundliche
Forschungen und genauere Kenntniss der Bilder sehr viel besser in-
formirt sind, wie er, zu eigner Beurtheilung der Sache berechtigt.
Diese aber führt uns zu einem andern Resultate. Da Hubert, wie
sich aus einer Vergleichung des Genter Altares mit den Bildern des
Johannes ergiebt, der tiefer Denkende unter den Beiden, auch der
Lehrmeister des Andern war, könnte man geneigt sein, ihn für den
eigentlichen Erfinder zu halten und die auffallende Erscheinung, dass
er wenige Jahre vor seinem Tode mit einem so gewaltigen Werke
auftritt, ohne dass sich irgend ein früheres Gemälde von ihm nach-
weisen lässt, (lurch die angestrengte fesselnde Arbeit der Ausbildung
jener neuen Malweise zu erklären. Jedenfalls aber, und dies scheint
als das Vorsichtigere den Vorzug zu verdienen, muss man es für
wahrscheinlich halten, dass beide Brüder dabei mitwirkten. Die That-
sache, dass der Ruhm und selbst der Name des älteren über hundert
Jahre lang in Vergessenheit gerathen war und bei der Wiederauf-
findung desselben Vasarrs Darstellung bereits überall Glauben und
Geltung erhalten hatte, erklärt vollkommen die constante Tradition
zu Gunsten Johanns.
Carl van Mander und die anderen gleichzeitigen belgischen Schrift-
steller keimen ausser dem Genter Altar kein Bild von Hubert's Hand 1).
1) In dem Nachlassinveutar des Erzherzogs Ernst (f 1595) war ein Madonna-
bild von "Ruprecht van Eyck" verzeichnet. De Laborde, Ducs de Bourgogne.
p. CXIV. Ob damit Hubert gemeint sei, bleibt dahingestellt. [Dagegen erfahren
wir aus den städtisehen Rechnungen zu Gent, dass er im Jahre 1424 für eine den
Schöffen gemalte Tafel Zahlung erhalten hat. Beffroi, II. S. 208.]