der Brüder zu einander.
Verhältniss
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doch in eine andere Werkstätte begeben habe und erst, nachdem
er hier die grosse Eriindung vollendet, zu seinem Bruder zurück-
gekehrt sei, um ihn die Praxis der neuen Malweise zu lehren. Man
kann nicht sagen, dass diese Annahme chronologisch unmöglich sei;
wenn Hubert, wie van Mander glaubt, 1366, Johann 1380 geboren
ist, so konnte dieser sehr wohl 1405 die Lehrzeit bei jenem voll-
endet und das Meisterrecht erlangt, bis 1410 jene Erfindung gemacht
und demnächst bis 1422, wo er dem Rufe jenes fremden Fürsten
folgte, mehrere Jahre mit seinem Bruder gemeinschaftlich gearbeitet
und ihm die neue Weise beigebracht haben. Allein, wenn nicht un-
möglich, ist dies doch sehr unwahrscheinlich. Unzählige Beispiele
zeigen uns, wie schwer es einem gereiften Meister, namentlich in
jener Zeit wuirde, alte Gewohnheiten abzulegen und eine neue Tech-
nik anzunehmen. Wir werden später Beispiele finden, wie langsam
sich in den Niederlanden selbst die neue Erfindung verbreitete. Nun
könnte freilich Hubert eine Ausnahme gebildet, sich in seinem fünf-
undvierzigsten Jahre noch so viel Jugendfrische und Gewandtheit er-
halten haben, um der Schüler seines Bruders zu werden und sich
die Technik desselben ganz anzueignen. Allein damit ist dann jene
Inschrift schwer in Einklang zu bringen; wenn Johannes sich be-
wusst gewesen wäre, seinen Bruder durch die Mittheilung und Ein-
übung der neuen Weise gewaltig gefördert zu haben, hätte er sich
kaum so, wie es darin geschieht, über ihn äussern können. Aller-
dings sind alle älteren Berichterstatter bis in den Anfang des gegen-
wärtigen Jahrhunderts hinein darüber einig, dem Johannes allein diese
Eriiudung zuzuschreiben, und es scheint willkürlich und gewagt, ihnen
zu widersprechen 1). Allein diese Berichterstatter sind keinesweges
nahestehende und selbständigeZeugen, sie schöpfen alle aus Einer
und zwar aus einer sehr trüben Quelle. In den Niederlanden selbst,
das darf man nicht vergessen, hatte sich keine Tradition über die
Erfindung der Oehnalerei erhalten; sie hatte den Nahestehenden, wie
dies so oft geschieht, nicht so imponirt, wie den Entfernteren, die
ihre Tragweite besser beobachten konnten. Die Ersten, die darüber
berichten, sind daher Italiener, und die Niederländer wurden erst
später durch diese über die Hergänge in ihrem eignen Lande belehrt.
Lucas de Heere spricht, wie schon erwähnt, mit dürren Worten aus,
dass „ein Italiener" davon schreibe, Johannes habe diese Erfindung
1) [Indess lässt die betreifenele Stelle in der zweiten Auflage des Vasari die
Deutung zu, dieser Schriftsteller habe später Hubert für den Eriinder der Oel-
malerei gehalten].