Die Inschrift des
Altars.
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Schrift: Les trois freres van Eyck, die Bemerkung, dass diese Deutung
dem Johannes nicht sowohl eine bescheidene, als eine anmassende
Aeusserung unterschiebe, indem er, wenn auch nach jenem Unüber-
troffenen der Zweite, jedenfalls unter den Ueberlebenden der Erste
sein würde. Man hatte schon früher bemerkt, dass auch eine andere
Construction denkbar sei, indem man das Wort arte auf perfecit, das
Wort secundus auf Frater beziehen könne, wonach dann der Sinn sein
würde: Dies Werk vollendete durch seine Kunst Johannes, der
zweite Bruder des Hubert. Diese Auslegung war Herrn Carton sehr
gelegen, weil er, wie schon der Titel seiner Schrift ergiebt, einen
dritten Bruder in die Kunstgeschichte einführen wollte, den Lambert
van Eyck, den allerdings zwei urkundliche Stellen (vgl. dieselben unter
Anderm bei Crowe und Cavalcaselle, Anciens peintres I. p. 65 und
67 und bei Waagen im Kunstbl. 1849 S. 59) als Bruder Johanns
van Eyck, aber keineswegs als Maler nennen. Er sah daher in dieser
Bezeichnung des Johannes als des zweiten Bruders eine Andeutung,
dass noch ein dritter und zwar ebenfalls als Maler und als ein Maler
von Rang, an den man bei dieser Gelegenheit denken könne, existire.
Diese Auslegung hat die Zustimmung von Waagen (im Kunstbl. a.
a. O.) und auch neuerlich von Ruelens (a. a. O. p. XLIV) gefunden; ich
kann indessen nicht umhin, mit Hotho a. a. O. II. 109 der ersten den
Vorzug zu geben. Wenn auch Lambert wirklich (wiewohl jeder Beweis
dafür fehlt) Maler gewesen wäre, würde es kein Interesse gehabt
haben, hier auf seine Existenz hinzuweisen. Nun könnte man zwar
Lambert ganz aus dem Spiele lassen und die Worte secundus frater
durch: der zweite Bruder, d. h. der jüngere von Beiden, übersetzen,
so dass dann (larin eine Unterordnung, aber nur im Alter, nicht der
Kunst nach, enthalten wäre. Allein der ganze Zusammenhang der
Inschrift spricht für jene erste Auslegung; Sie verliert, wenn man
diese aufgiebt, ihren geistigen Rhythmus. Das arte secundus ist ein
nothwendiges Mittelglied zwischen dem: major quo nemo repertus und
dem Judoci Vyd prece fretus. Darin eine Anmassung des Johannes
und eine Ueberhebung über seine Zeitgenossen finden zu wollen,
ist höchst gesucht; Niemand wird daran denken. Dagegen erlangt
die Versicherung, dass er nur der Bitte des Bestellers vertraut habe,
nur durch sie ermuthigt sei, erst dadurch einen Sinn, dass er sich
als den Geringeren darstellt, für den dann allerdings die Aufgabe,
das Werk des Grösseren zu vollenden, als eine Last (pondus) und als
ein Wagniss erschien, zu welchem er nur durch die Bitte des Bestel-
lers ermuthigt werden konnte.
Die Inschrift ergiebt also zunächst, (lass der Besteller nicht, wie
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