Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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Hubert und Johann van Eyck. 
Anstrich verborgen, erst bei der Reinigung der neu erworbenen Tafeln 
in Berlin im Jahre 1824 auf dem Rahmen der unteren Aussenbilder 
zum Vorschein kam. Nur zwei Worte waren unleserlich und diese 
konnten aus einer Abschrift ergänzt werden, welche fast gleichzeitig 
ein belgischer Forscher, Louis de Bast, in einer unrdie Mitte des 
sechszehnten Jahrhunderts veranstalteten Inschriftensammlung gefun- 
den hattel). Sie lautet in ziemlich schlechten Hexametern also: 
Pictor Hubertus e Eyck, major quo nemo repertus, 
Incepit, pondusque Johannes, arte secundus, 
Frater perfecitß), Judoci Vyd prece fretus. 
VersV seXta Mal Vos COLLOCat aCta tVerI. 
Der letzte Vers enthält nur die Nachricht, dass die Aufstellung am 
G. Mai und zwar, wie die zu Zahlzeichen gestalteten Buchstaben er- 
geben, im Jahre 1432 erfolgt sei. Der thatsächliche Inhalt der Inschrift 
ist atlsser Zweifel: "Der Maler Ilubcrt van Eynk, dem kein grösserer 
gefunden ist, begann, Johannes der Bruder, auf die Bitte des Judocus 
Vyd vertrauend (und darauf hin es wagend) vollendete das Werk." 
Nur die beiden Worte, die ich in dieser Uebersetzung ausgelassen 
habe, die Worte arte secundus zwischen dem Namen des Johannes 
und seiner Bezeichnung als Bruder, haben verschiedene Auslegungen 
erfahren, welche wir, da sie sich auf das Verhältniss der beiden 
Brüder beziehen, näher betrachten müssen. Zuerst übersetzte man 
sie wörtlich: in der Kunst der Zweite, und sah darin einen 
ferneren Ausdruck der Bescheidenheit des Johannes und eine Be- 
Stärkung jener vorhergegangenen Versicherung, dass Hubert von 
Niemand übertroffen sei, auch nicht von diesem seinem Bruder, ob- 
gleich derselbe die Vollendung des von jenem angefangenen Werkes 
gewagt habe. Dagegen machte dann der Abbe Carton in seiner 
1) Vgl. Waagen im Kunstblatt 1824 S. 103 und 1849 S. 59. Louis de Bast, 
Notiee sur le ehef- dloeuvre des freres Van Eyck, Gand 1825, p. 27. Die In- 
sehriften-Sammluug, von einem gewissen Christophe van Huerne herrührend, ist 
handschriftlich in Brügge erhalten. Der Umstand, dass Albrecht Dürer den Altar 
des Johannes Tafel nennt, ohneHuberts irgendwie zu gedenken, könnte auf die 
Vermuthung führen, dass die Inschrift schon damals überstrichen war und Chri- 
stophe van Huerne sie nicht nach dem Originale, sondern nach einer älteren Ab- 
schritt copirt habe, 
1') Diese beiden Worte, welche auf dem Originale zerstört und nach der Ab- 
schrift ergänzt sind, lauten in derselben: Frater perfectus, was als ein augen- 
seheinlieher Irrthum in perfecit umgeandert werden muss. Ob das Wort: pondus 
statt opus eine pretiöse Wahl des Verfassers der Inschrift oder ein lilissverständ- 
niss des Schreibenden war, mag dahingestellt bleiben; der Sinn leidet dadurch 
nicht. 
	        
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