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Hubert
Eyck.
und Johann van
würdig, empfehlen sich weniger; sie mögen die vorgeschriebene Nach-
rahmung gewisser Lieblingsbilder sein, deren schwere und breite, falten-
reiche Gewänder der plastische Styl dieser Zeit für erlaubt hielt.
Die Porträts dagegen sind mit einer Naturwahrheit, einer vollendeten
und doch so leicht ausgeführten Modellirung gemalt, wie man sie bis-
her noch nicht gekannt hatte.
Ueber den Eindruck dieses Werkes auf die Zeitgenossen haben
wir keinen Bericht; dagegen van Mander spricht nicht bloss selbst
darüber mit höchster Begeisterung, sondern schildert diese auch als
eine zu seiner Zeit allgemein verbreitete. Gewöhnlich, erzählt er, sei
das Werk nicht geöffnet und werde nur gegen gute Bezahlung gezeigt.
Aber an einigen grossen Festtagen sei es sichtbar, und dann sei den
ganzen Tag lang ein solcher Zudrang, dass man schwer durchkom-
men könne; Künstler und Kunstfreunde umschwärmten es, wie man
im Sommer Bienen und Fliegen an süssen Früchten hängen sehe.
Und doch war diese Zeit kaum fähig, das volle Verdienst dieser Arbeit
zu schätzen, die Empfindungen nachzufühlen, welche die Zeitgenossen
dabei haben mussten. Auf der Grenze zweier Zeitalter stehend ver-
bindet dieses seltene Werk die Vorzüge beider, die grossartige, archi-
tektonische Schönheit des Mittelalters mit der Lebensfülle, nach der
die neuere Kunst strebt. An den oberen Gestalten ist dies besonders
deutlich. Die Erscheinung des thronenden Schöpfers mit dem vollen,
regelmässig gerundeten Ovale, der geraden Haltung des Kopfes, dem
in breitem Wurf herabfliessenden Purpurgewande, und daneben die
gleichmassig zu ihm gewendeten Gestalten der Maria und des Johannes
haben noch einen hohen Grad symmetrischer Strenge. Aber zugleich
athinen sie die vollste Lebensfrische; durch die leuchtende Farbe,
durch die Pracht des Goldes und der Edelsteine an den Gewändern
und an dem krystallenen Scepter in der Hand Gottes und vor allem
durch die Frische der Carnation und den Glanz der Augen fühlen
wir uns mitten in einer sonnenbeschienenen Natur, während die beiden
Nebengestalten, die Jungfrau in der unvergleichlichen Anmuth ihrer
Züge, der Täufer in der Verbindung männlicher Stärke mit deinüthi-
ger Unterordnung schon die Kraft des Individuellen entwickeln. Die
Engel auf den beiden Nebentafeln sind zwar, mit Ausnahme der
schlanker gebildeten Cäcilia, ziemlich gleichgestaltet, runde, jugend-
liche Gesichter mit grossen hellen Augen, aber dafür tritt hier in dem
Ausdrucke des Singens, in den mannigfaltigenWendungen der Köpfe
und in der vollendeten Ausführung des Notenpultes und der Orgel
schon ein sehr bestimmtes naturalistisches Element ein. Höchst merk-
würdig sind dann endlich die Gestalten der beiden Stammeltern, weil