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Johann van Eyck.
Ilubert und
nur die vier mittleren Tafeln sind noch in Gent in der jetzt unter
dem Titel S. Bavo zur Kathedrale erhobenen Kirche, Welche damals
Stiftskirche S. Johann hiess. Zwei Tafeln (Adam und Eva) befinden
sich im Museum zu Brüssel, sechs Flügel, alle auf beiden Seiten be-
malt, bilden ein kostbares Besitzthum des Museums zu Berlin. Es
_ist indessen nicht schwer, sich den Zusammenhang des Ganzen zu
vergegenwärtigen. Es bestand aus dreizehn 'l'afeln, von denen sich
bei voller festtäglicher Oelfnung in der oberen Reihe sieben, in der
mittleren (vermöge der grösseren Breite des Hauptbildes) nur fünf,
endlich eine als Untersatz unter dem Mittelbilde zeigten. Nur diese
ist verloren gegangenl). Der Gegenstand ist die "Anbetung des
Lammes" nach der Apokalypse, aber mit freier künstlerischer Auffas-
sung und mit Vermeidung der undarstellbaren Visionen des Apostels.
Im Wesentlichen ist Kapitel VII. Vers 9 zum Grunde gelegt: "Darnach
sahe ich, und siehe eine grosse Schaar, welche Niemand zählen konnte,
aus allen Heiden und Völkern und Sprachen vor dem Stuhle stehend
und vor dem Lamm, augethan mit weissen Kleidern und Palmen in
den Händen, schrieen mit grosser Stimme und sprachen: Heil sei dem,
der auf dem Stühle sitzt unserm Gott und dem Lamm. Und alle
Engel standen um den Stuhl" u. s. w. Diese Vision hat der Meister
nun aber nach künstlerisch architektonischen Itücksichten in zwei
Reihen dargestellt, von denen die obere die Herrlichkeit des Him-
mels, die untere das Lamm und die grossen Schaaren der Völker
zeigt. Oben (Fig. 1) sehen wir also zunächst Gott Vater, lebensgross
im leuchtenden rothen Gewande, die päpstliche Tiara auf dem Haupte,
in der Linken das Scepter, mit der Rechten segnend, das Antlitz in
ruhiger Würde geradeaus blickend, mit vollem Barte, aber mit frischer
Farbe 'und Kraft. Neben ihm auf besonderen, etwas niedrigeren,
oben abgerundeten Tafeln, zu seiner Rechten Maria, zur Linken Jo-
hannes der Täufer, beide ebenfalls sitzend und zu Gott gewendet,
Maria mit edelsten Zügenvund mildestem Ausdrucke, im weiten blauen
Mantel, mit geöffnetem Buche, der Täufer mit wallendem Bart und
Ilaulathaar, über dem zottigen Rocke von reichem Mantel umhüllt,
aus dem auf seinen Knieen liegenden Buche mit erhobener Hand
lehrend. Alle drei Gestalten thronen im himmlischen Glanze mit
Edelsteinen und Gcldschmuck an Haupt, Brust und Gewändern, hinter
ihnen prachtvolle Teppicheg), über ihnen Goldgrund, nischenartig
1) Und zwar wie van lilander und Vaernewyck (Historie van Belgis) versichern,
weil sie mit Wasserfarbe gemalt und bei einer Reinigung des Bildes durch un-
gesßhivktes Waschen zerstört war. Passavant, Kunstreise S. 378.
9) Die drei Teppiche sind verschiedener Farbe und in dem grünen Teppiche