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Hubert und Johann van Eyck.
Style, den man damals liebte und sehr arm an factischen, besonders
chronologischen Nachrichten. Diese aus öüentlichen Urkunden zu
erforschen, konnte ihm nicht einfallen; es bestanden noch keine dazu
geeigneten Archive, es war überhaupt ein den damaligen Begriffen
der Geschichtsschreibung und seiner künstlerischen Natur ganz frem-
der Gedanke, und würde die Beendigung des von ihm beabsichtigten
umfassenden und übersichtlichen Werkes in's Unendliche verzögert
haben. Er war daher im Wesentlichen auf persönliche Erkundigungen
angewiesen, auf die Anschauung der noch vorhandenen Gemälde und
die Einziehung der darüber an Ort und Stelle überlieferten, mit
einander zu vergleichenden Nachrichten. Dieser Aufgabe hat er sich
mit Fleiss, Umsicht und Begeisterung unterzogen und sich grosse,
bleibende Verdienste um die Kunstgeschichte erworben. Vielleicht
wäre ein solches Unternehmen besser gelungen, wenn es hundert oder
doch fünfzig Jahre früher, jedenfalls vor den religiösen Wirren und
Leiden des Krieges ausgeführt wäre. Das war aber unterblieben, und
so war es ein Verdienst, dass es jetzt geschah, gewissermassen in
der zwölften Stunde, wo zwar schon manche Erinnerungen verblichen,
manche edlen Werke zerstört oder vergessen sein mochten, wo aber
das Verständniss für die ältere heimische Kunst noch nicht in dem Grade,
wie später, verloren, und Vieles, was später durch Vernachlässigung
unterging, noch wohl erhalten war. Van Mander's Werk war daher
in den darauffolgend en zwei Jahrhunderten, wo unter der Herrschaft
eines falschen oder einseitigen Geschmacks jene ältere hochbedeutende
Kunst völlig verkannt wurde, die einzige und unschätzbare Quelle
für die Geschichte derselben.
Auch für das wiedererwachende Verständniss dieser Kunst in
der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts war sein Werk als das ein-
zige Mittel der Orientirung und als Ausgangspunkt zu tieferen Stu-
dien von höchstem'Werthe. Nun freilich traten aber neben den
Vorzügen auch die Mängel des Werkes in's Licht. Die übergrosse
Verehrung für Vasari, der doch bei diesen fremden Künstlern seiner
Phantasie ziemlich freien Spielraum gelassen und nicht selten durch
Entstellung oder Verwechselung der ausländischen Namen gesündigt
hatte, dann die eigene Neigung für pikante, romanhafte Hergänge
und endlich der Mangel an Kritik, der nicht blos bei dem Künstler
verzeihlich, sondern ihm mit den meisten seiner Zeitgenossen gemein
war, hatten Irrthümer, die Schwierigkeit genaue Nachrichten zu er-
langen, über welche van Mander selbst in der Vorrede klagt, und
die Nothwendigkeit persönlicher Erkundigungen hatten Lücken und
Ungleichheiten erzeugt, die um so nachtheiliger wirkten, je mehr