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Hubert und Johann van Eyck.
sich daher mit mehreren Gedichten allegorischen Inhalts vernehmen.
Daneben begann er aber auch „Lebensbeschreibungen der berühmten
Maler" in Reimen niederzuschreiben. Wie weit er damit gekommen,
und ob seine Arbeit trotz dieser poetischen Form historischen Werth
hatte, wissen wir nicht. Schon van Mander, der sein Schüler ge-
wesen und dadurch von diesem Unternehmen Kenntniss hatte, konnte
später, als er an die Arbeit seines eignen Werkes ging, wie er wieder-
holt beklagt, trotz grosser Bemühungen das Manuscript nicht mehr
ausfindig machen. Lucas de Heere war durch die religiösen Un-
ruhen, die jetzt begannen, aus seiner Laufbahn herausgerissen; er
wurde 1568 aus seiner Vaterstadt verbannt und brachte den Rest
seines Lebens unstät und wandernd zu. Das Aufgeben der begonnenen
Arbeit und selbst der Verlust der Handschrift wären daher sehr er-
klärbar. Wunderbarer Weise ist dasselbe neuerlich (1824) wieder
zum Vorschein gekommen, aber ebenso rasch wieder verschwunden.
Die wenigen Auszüge, welche man in der Zwischenzeit daraus ge-
nommen, geben keine grossen Vorstellungen von dem Inhalte des
Gedichtes, dessen Autiinden indessen immer noch zu hoffen ist 1). Erst
sein Schüler Karl van Mander (geb. 1548) wurde dann wirklich der
Begründer der Geschichte der iiandrischen Kunst. Er war eine ähn-
liche, leicht anregliche und vielseitig begabte Natur wie sein Meister,
neben dem Beruf zur Malerei ein eifriger Verskünstler. Als Mitglied
der Kammer der Rhetoryker zu Meulebeke von der damals aufkom-
menden Neigung zur dramatischen Poesie ergriffen, schrieb er um-
fassende Schauspiele, deren Auiführung er dann leitete und durch
die von ihm gemalten Dekorationen schmückte. Nach beendigter
Lehrzeit wanderte er nach Rom, arbeitete hier und demnächst am
kaiserlichen Hofe in Wien mit grossem Erfolge und kehrte nun nach
mehrjähriger Abwesenheit und als namhafter Künstler in seine Hei-
math zurück. Hier aber hatte inzwischen die Spannung zwischen
den Provinzen und der spanischen Regierung ihre Höhe erreicht;
Flandern erlitt alle Gräuel des Krieges, und van Mander entschloss
sich endlich, im Jahre 1583, nach mehrjährigen Mühsalen und Leiden
nach Holland auszuwandern, wo er durch seine Talente sehr bald
1) Die Klagen van Mandefs im Schilder-Boeck (1604) fol. 198 u. 256. Die
weitere Geschichte des Manuscripts in den angeführten Noten zu Crowe und Ca-
valcaselle Bd. II. p. XIII. und bei Michiels, Histoire de 1a peinture fiamande
(2. Aufl.) Bd. II p. 7, III p. 432. Die Auszüge aus dem Manuscript, welche Herr
Delbecq publicirt, ebenda. Bd. VI p. 70 if. Näheres im Bulletin du bibliophile
belge, 1846 p. 18 und bei Blommaert, De nederduitsche Schryvers van Gent. Gent
1861 p. 156.