Guicciardini.
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Schreiber wohnten in Lüttich, das keineswegs einen erheblichen An-
theil an der niederländischen Kunstthätigkeit hatte; wie viel mehr
ist dann eine gleiche Wirkung des Vasarfschen Buches in den Städten
anzunehmen, die bereits eine historische Folge von Kunstleistungen
vor Augen hatten. Bald nach der Absendung dieser Briefe kam
denn auch in den Niederlanden ein Werk heraus, das wirklich einen
Anfang niederländischer Kunstgeschichte machte. Sonderbarerweise
war auch dies die Arbeit eines Italieners. Lodovico Guicciardini,
ein Neffe des berühmten Geschichtsschreibers Francesco Guicciardini,
in Florenz geboren, aber frühe in Antwerpen etablirt, ein vielseitig
gebildeter Mann, beschloss sich durch eine „Beschreibung der Nieder-
lande" nützlich zu machen, welche dann nach gründlichen Vorstudien
im Jahre 1567 in Antwerpen erschien 1). Hier kommt er nun in dem
dieser Stadt gewidmeten Kapitel auf die lvlalergilde und giebt bei dieser
Gelegenheit einen Ueberblick über die Entwickelung der Handrischen
Schule, in welcher er viele Künstler und zwar häufig mit Anführung
ihrer Werke nennt. Schon im folgenden Jahre war aber auch Vasari
mit einer zweiten Ausgabe seines grossen Werkes fertig, welche unter
anderen Zusätzen ein neues Kapitel über liandrische Künstler enthält.
Die Materialien dazu hat er, wie er selbst bekennt, zum Theil von
dem obengenannten Lampsonius brieflich, zum Theil durch eigne Be-
kanntschaft mit den in Italien studirenden niederländischen Künstlern
erhalten. Die Uebereinstimmung selbst bei der Reihenfolge der
Künstlernamen und bei gewissen Irrthümern lassen aber darauf
schliessen, dass er auch das Werk des Guicciardini schon benutzt,
oder doch (etwa durch Vermittelung des Lampsonius) Mittheilungen
daraus gehabt hat.
Gleichzeitig mit der Arbeit des Guicciardini, oder sogar noch
etwas früher, hatte auch der Maler Lucas de Heere zu Genf. ein Werk
von kunstgeschichtlicher Tendenz angefangen. In einer Künstler-
familie im Jahre 1534 geboren und frühzeitig zur Malerei bestimmt,
hatte er zugleich eine unwiderstehliche Neigung zur Poesie und liess
folger aber, sich mit Nachahmung ihrer Manier begniigend und nicht weiter
denkend, hätten die Kirchen mit Bildern gefüllt, die kein anderes Verdienst be-
sässen, als das schöner Farben. Und so kommt er zu einer ziemlich richtigen
und anerkennenden Charakteristik Schongaueüs und Dürer's, bei dem er nur be-
klagt, dass ihm die antiken Werke Roms nicht bekannt geworden.
1) Descrittione di tutti i Paesi bassi, Anversa. 1567. Die Nachrichten sind in
den Jahren 1560 u. 1561 gesammelt, die Dedication von 1566 datirt, so dass eine
Benutzung des Inhalts zu Vasarfs im Jahre 1568 erschienener Ausgabe wohl schon
nach den Aushängebogen oder dem Manuscript geschehen sein konnte.