Quellen.
Aeltere
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wissen Gegenden Italiens sehr gross war, bewirkte dann aber auch,
dass Werke der spätern grossen Meister dahin gelangten, welche die
Namen derselben unter den Künstlern und Kunstfreunden berühmt
machten 1). Daher konnte denn auch Vasari, dem damals noch keine
bessere Quelle zu Gebote stand, in der ersten, im Jahre 1550 publi-
cirten Ausgabe seines grossen Werkes, ausser der Geschichte der
Erfindung der Oelmalerei durch Johannes, die er im Leben des Anto-
nello von Messina erzählt, in dem der Oelmalerei gewidmeten Kapitel
der Einleitung eine Liste von sieben oder acht zum Theil sehr ver-
stümmelten Namen flandrischer Maler mittheilen. Das war nun zwar
sehr wenig, aber immerhin ein Anfang kunstgeschichtlicher Behandlung
und jedenfalls mehr, als man in den Niederlanden selbst um diese
Zeit besass. Auch hier war zwar die Liebe zur Kunst und das An-
sehen der Künstler im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts bedeutend
gestiegen, aber das einzige uns bekannte und vor Vasari geschriebene
Werk, welches den Zweck verräth, das Gedächtniss der berühmten
Meister festzuhalten, ist nur ein phantastisches und schwülstiges Ge-
dicht in französischer Sprache: La couronne margaritique des Jean
Lemaire. Der Verfasser, in der Gegend von Valenciennes geboren,
schrieb es in den Jahren 1508-1511, während er im Dienste der
Erzherzogin Margarethe, Statthalterin der Niederlande, stand. Er
üngirt, dass eine Krone für seine Gebieterin gefertigt werde und der
Goldschmied bei dieser Arbeit von anderen Künstlern Besuch und
Rath empfange, was ihm denn Gelegenheit giebt, die bedeutendsten,
bei den damaligen Kunstfreunden beliebtesten Maler und Goldschmiede
namentlich aufzuführen und ihren verschiedenen Verdiensten gemäss
zu charakterisiren. Er beschränkt sich dabei keinesweges auf damals
noch Lebende, auch nicht auf die ilandrische Schule, sondern nennt
ausser den Niederländern auch Franzosen und Deutsche, ja sogar
den Italiener Donatello, aber er geht nicht über Johann van Eyck
hinaus, den er „le roy des peintres" nennt, und hat augenscheinlich
das Gefühl, dass sie sämmtlich einer geschlossenen, jetzt geltenden
Schule angehören, die er sogar anscheinend der antiken Kunst als
gleichberechtigt an die Seite stellt2). Dies hat für uns ein" gewisses
1) Den Beweis geben die zahlreichen üandrischen Kunstwerke, welche der
Anonymus des Morelli a. a. O. in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im
Venetianischen fand und mit dem Namen der Urheber bezeichnete.
1') Nachdem er eine Zahl von neueren Künstlern auftreten lassen, sagt er aus-
drücklich, dass er sie so sehr ehre:
Que les anciens jadis par longs sermons
Firent Parrhase et maints autres divers.