Erstes
Kapitel.
Hubert
und
Johann
van
Eyck.
Der Geschichte selbst müssen einige Worte über die Quellen
derselben vorausgeschickt werden. Sie sind sehr mangelhaft; weder
über die Stifter der Schule noch über irgend einen der nachfolgenden
Meister besitzen wir Berichte nahestehender Zeitgenossen. Die Kunst
war ihrem Publikum vorausgeeilt; während sie schon den individuellen
Charakter der neuen Zeit annahm, wurde sie noch ebenso betrachtet
und behandelt, wie die unpersönliche Kunst des Mittelalters. Man
hielt sie noch nicht für einen Theil der Geschichte, für einen Gegen-
stand schriftlicher Aufzeichnung; die Gelehrten kümmerten sich nicht
um sie, und die Künstler sowohl wie ihre Gönner waren nicht ge-
wohnt, die Feder zu führen.
Nur Italien bildete eine Ausnahme; hier war die Kunst schon
eine wichtige Angelegenheit von allgemeinem Interesse geworden,
hier gab es schon eine Klasse von Schriftstellern, welche aus dem
Geleise der bisherigen Wissenschaftlichkeit heraustreteud sich gern
mit aesthetischen Gegenständen beschäftigten. Daher ist es begreif-
lich, dass die frühesten Erwähnungen {iandrischer Meister und der
Erfindung der Oelmalerei sich bei italienischen Schriftstellern ,vor-
finden. Wahrscheinlich noch vor dem Tode Johanns van Eyck (1440),
jedenfalls bald nachher, waren Bilder desselben, sowie des Roger van
der Weyden durch den Handel in den Besitz italienischer Fürsten
und Kunstfreunde gelangt, deren Technik und Darstellungsweise
grosses Aufsehen und Bewunderung erregten und jene schreihlustigen
Gelehrten reizten, über sie und ihre Urheber zu berichtenl). Einer
1) Die erste solcher Aufzeichnungen, die wir kennen, von Cyriacus von Ancona,
ist in der That nur eine kurze Beschreibung emes Gemäldes von Roger, das er