Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Vorwiegende Begabung der Niederländer für Musik und Malerei. 
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der höheren Stände, sondern wirkte selbst nachtheilig auf die Volks- 
Sprache ein und gab ihr, da sie nicht wie die französiche den Rückhalt 
eines grossen Mutterlandes hatte, eine Unsicherheit in der Wort- 
bildung und eine bedenkliche Mischung mit Fremdwörtern. Schon 
an sich erlangt die Sprache eines kleinen Volkes nicht leicht die 
vielseitige Ausbildung, wie die einer grossen Nation; hier war sie 
überdies durch den Druck, welchen das Französische von ihrer Ent- 
stehung an auf sie geübt hatte, in ihr-er Entwickelung gehemmt. In- 
dem sie in poetischer Beziehung ausschliesslich auf die Wiedergabe 
französischer Erfindungen und Gedanken angewiesen war, hatte sie 
ihre Eigenthümlichkeit nur in Beziehung auf die praktischen, häus- 
lichen und persönlichen Verhältnisse ausbilden können. Sie erlangte 
eben durch diese Beschränkung den Vorzug der Innigkeit und Ver- 
traulichkeit, aber sie war kein geeignetes Mittel für den Ausdruck 
höherer Empfindungen und Gedanken; sie war nicht einladend, nicht 
fördernd für die Poesie. Allein dieser Mangel war nicht olme Er- 
satz. Es ist eine bekannte Erfahrung, dass bei Einzelnen neben der 
Schwäche des Auges das Gehör, neben der beider höheren Sinne das 
Gefühl eine ungewöhnliche Feinheit erlangt. Ebenso ergeht es auch 
den Nationen; jeder Mangel ist mit einem Vorzug verbunden. Während 
daher hier die Poesie zurückblieb, wandten sich die besseren Kräfte 
der Musik und Malerei zu. Die Musik erlangte hier im 15. und 
16. Jahrhundert eine Stufe der Ausbildung, wie sie noch nicht gehabt 
hatte; ganz Europa erkannte dies an. Die Niederlande, so meldete 
der venetianische Gesandte am Hofe Karls V., sind heutzutage die 
Quelle der Musik. Die Belgier, so urtheilt Guicciardini, sind die 
wahren Meister der Tonkunst; sie haben dieselbe zur Vollendung 
gebracht. Ebenso aber erging es der Malerei. Der Mangel der 
Poesie, also der Kunst, in welcher die Empfindung das Kleid des 
Gedankens annimmt, führt immer dahin, die Befriedigung in einer 
der Sinnlichkeit näher stehenden Form zu suchen. Er steigerte hier 
die Festlust und Schaulust in aussergewöhnlicher Weise. Niemals 
vielleicht hat die Welt so phantastische Feste, so_ glänzende Aufzüge 
gesehen, als diese Fürsten, diese reichen Städte sie veranstalteten- 
Man staunt über die verschwenderische Pracht der Kleidung, über 
die Mannigfaltigkeit der Maschinerien und Decorationen, über die 
Zahl der gleichgekleideten Theilnehmer zu Ross und zu Fusse, mit 
der die einzelnen Städte bei Wettspielen aufzogen. Allerdings waren 
dies nur Aeusserungen des Luxus und der Eitelkeit; aber immerhin 
waren sie eine Uebung des Auge_s, welche dieses auch für Leistungen 
der Malerei schärfer und anspruchsvoller machen und der Kunst den 
Schnaaseis Kunstgesch. VIII.  7
	        
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