Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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der Alpen. 
den Völkern nördlich 
Anfänge einer Neugestaltung der Kunst bei 
Poesie auf phantastische Erfindung verzichtete und sich auf dem 
Boden prosaischer Wirklichkeit hielt, desto stärker wurde das Be- 
dürfniss sinnlicher Anschaulichkeit. Daher die Vorliebe für Allegorieen, 
also für eine Darstellungsweise, die dem Gedanken eine Körperlich- 
keit verleiht, dann die für dialogischen Vortrag und endlich für das 
Drama selbst. Die Kirche hatte auch hier schon langst ihre hohen 
Feste durch Darstellungen der heiligen Geschichte oder durch Morali- 
taten, allegorisch eingekleidete sittliche Lehren, zu beleben gestrebt. 
Dazu kamen jetzt auch weltliche Dramen ernsten oder komischen 
Inhalts. Solche Aufführungen wurden dann bald eine vielverbreitete 
Liebhaberei und ein Gegenstand städtischen Wetteifers; es bildeten 
sich daher Gesellschaften zum Zwecke einzelner Feste oder zu all- 
gemeiner Vorübung auf solche Darstellungen, welche von den städti- 
schen Behörden begünstigt und durch Beiträge unterstützt wurden, um 
ihren Aufführungen grössere Pracht zu geben. Aus ihnen gingen im 
15. Jahrhundert die Kammern der Rhetoryker hervor, welche 
sich nachher noch mehrere Jahrhunderte als eine Eigenthümlichkeit 
der gesammten Niederlande erhielten. Sie waren indess nicht wie 
die deutschen Meisterschulen ein Erzeugniss der zünftigen Handwerke, 
sondern freie Vereinigungen zum Zwecke poetischer Uebung, aber 
sie trugen ebenso wenig wie jene, ja vielleicht noch weniger zur 
Hebung der Poesie bei. Auch sie übten zwar im Versemachen und 
forderten von ihren Mitgliedern ein Probestück, aber ihre Hauptauf- 
gabe bestand in der Veranstaltung öffentlicher Aufführungenl), bei 
denen es sehr bald mehr auf Pracht und Glanz, als auf poetischen 
Werth ankam. Es waren Gegenstände des Wetteifers der Städte, 
welche solche Feste ausschrieben und dazu die anderen Städte ein- 
luden. Ueberhaupt war der Einfluss der burgundischen Fürsten, 
unter denen auch jene Kammern der Rhetoryker ihre Ausbildung 
erhielten, der Poesie keinesweges vortheilhaft. Sie liessen zwar ihre 
Gunst auch der Wissenschaft und Literatur zu Gute kommen, aber 
sie standen zu ihr in keinem innern Verhaltniss. Sie sahen in dieser 
Begünstigung nur eine fürstliche Pflicht und ein Mittel des Ruhms. 
Es kam ihnen mehr auf das Stoffliche an, als auf das Geistige. Die 
Herzöge sowohl als die Grossen unterliessen nicht grosse Bücher- 
sammlungen anzulegen, aber es geschah dies mehr um schöne Schrift 
und Miniaturmalerei, als um die Wissenschaft zu befördern. Dass 
der Hof französisch sprach und glänzende Feste in dieser Sprache 
beging, entzog nicht bloss der einheimischen Dichtung den Einiiuss 
1) Guicciardini deünirt sie ausdrücklich als zu diesem Zwecke gestiftet.
	        
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