Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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den 
Anfänge einer Neugestaltung der Kunst bei 
Völkern nördlich der 
Alpen. 
Provinzen, besonders in dem germanischen Theile von Flandern, 
das schon frühe durch Gewerbthätigkeit und Handel zu materiellem 
Wohlstande gedieh. Bis zur Mitte des zwölften Jahrhunderts hatten 
sich diese Gegenden noch nicht zu geistigem Selbstgefühl und na- 
tionaler Individualität entwickelt. Selbst die Sprache unterschied 
sich noch nicht von der deutschen; es wurden verschiedene Dialekte 
gesprochen, welche sich meistens mehr dem niederdeutschen (säch- 
sischen) annäherten , aber auch fränkische Elemente enthielten 1). 
Erst gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts, wo die flandrischen 
Städte schon in lebendigem Handelsverkehr standen und ein Ueber- 
gewicht über die benachbarten Provinzen erlangt hatten, bildete sich 
unter ihnen eine gemeinsame, ihnen eigenthümliche Sprache, welche 
sehr bald auch in literarische Anwendung kam. Es war dies in- 
dessen nicht die freie That ihres wachsenden Selbstgefühls, sondern 
eine Folge der Aenderungen, welche gleichzeitig in Deutschland und 
Frankreich eintraten. Während nämlich Frankreich einen gewaltigen 
Aufschwung nahm und französisches Ritterthuni und französische 
Poesie auf ganz Europa und nicht am wenigsten auf das nahe und 
politisch verbundene Flandern einwirkten, gewann in Deutschland das 
Hochdeutsche die Herrschaft, also eine dem schwäbischeirDialekte 
nahestehende, dem Niederdeutschen schwer zugängliche Sprachform. 
Während daher die französische Literatur eine stärkere Anziehungs- 
kraft ausübte, verlor das Band, welches Flandern bisher an Deutsch- 
land gefesselt hatte, seine Kraft. Aber ganz in das französische 
Lager überzugehen, waren dieFlamländer keinesweges geneigt, ge- 
rade jetzt, gerade im Gegensatz gegen das Hochdeutsche war die 
Liebe für die einheimische, zutrauliche Sprache, war das Gefühl ihrer 
nationalen Eigenthümlichkcit recht rege geworden. Es entstand daher 
jetzt eine niederländische Literatur, die zwar fast ausschliesslich 
nicht eigene Erfindungen, sondern nur wörtliche Uebersetzungen fran- 
zösischer Gedichte brachte, aber doch die Sprache bildete und das 
Nationalgefühl kräftigte. Dabei bemerkte man dann aber sehr bald, 
dass auch das Stoifliche jener französichen Rittergedichte dem ein- 
heimischen Volkscharakter nicht zusagte. Dieser ist derb, einfach, 
bürgerlich, entfernt sich nicht gern von dem Boden der wirklichen 
Natur; in diesen Gedichten "war alles phantastisch, wunderbar, ausser- 
ordentlich; der niederländische Leser konnte bei dieser Häufung von 
Abenteuern und Wundern, bei den fast übermenschlichen Waffen- 
Literatur. 
der niederländischeh 
1) W. J. A. Jonckbloets Geschichte 
Ausgabe, Leipzig 1870. Bd. I. S. 5 ff. 
Deutsche
	        
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