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der Alpen.
einer Neugestaltung der Kunst bei den Völkern nördlich
Anfäßge
und von der bisherigen Praxis abweichende Studien, um anhaltende
Uebung und um Ablegung bisheriger Gewohnheiten und Vorurtheile.
Der Schüler, der diese Kunst erlangen wollte, musste von vorn an-
fangen, mnsste erst sehen lernen, wie seine Meister. Da ist es denn
sehr begreiflich, dass sich wenige Schüler fanden, bei denen die
Eycks günstige Resultate erwarten konnten, dass diese Schüler lange
Zeit brauchten, um selbständig zu werden, dass also in der Früh-
zeit, wo Antonello jene Bilder sah, sein Wunsch, diese Technik
zu erlernen, nicht an anderer Stelle als in der Werkstatt der Er-
iinder erfüllt werden konnte, und dass er nach seiner Rückkehr in
Italien wiederum für seine Landsleute die einzige Quelle dieser
Kunstweise wurde. Die Kunst, die noch vor Kurzem auf so breiter
Basis geruht hatte, war also mit einem Male höchst persönlich
geworden.
Dies hatte denn auch eine bestimmte weitere Folge auf die all-
gemeine Gestaltung der Kunst. So lange sie überwiegend kirchlich
und architektonisch war, standen die meisten Völker und Provinzen
in ihren Leistungen einander nahe. Zuweilen hatten wohl einzelne
Gegenden einen Vorsprung gehabt, wie beispielsweise das nördliche
Frankreich bei der Ausbildung des gothischen Baustyls; aber dann
verbreitete sich die hier ausgebildete Form rasch über die anderen
Länder und wurde hier mit mehr oder weniger localen Aenderungen
einheimisch. Noch die Malerei des vierzehnten Jahrhunderts, wenn
auch an einigen Orten mit besserem Erfolge geübt, war im Ganzen
über das gesammte Abendland verbreitet; selbst Italien, das stets
etwas abweichende Wege ging, stand hier den anderen Ländern nicht
allzufern.
In der neueren Kunst werden diese Unterschiede viel wichtiger;
die Kunst gedeiht nicht mehr überall. Sie wird gewissermassen
Monopol einiger Lander, während die anderen diese bevorzugten
Leistungen nachahmen oder gar ihren Kunstbedarf von jenenbe-
ziehen. Vom sechszehnten Jahrhundert an hatte bekanntlich Italien
diese hervorragende Stellung, im fünfzehnten sind es die Niederlande
und zwar vorzugsweise die flandrischen Gegenden, welche wenigstens
in der Malerei den Principat erlangen und auf alle Länder, selbst
auf das sonst so selbstständig fortschreitende Italien einen bedeuten-
den, für immer entscheidenden Einfluss ausüben.
Die Frage drängt sich auf, welchem Umstande Flandern diesen
Vorzug verdankt. Zunächst freilich dem, dass die Brüder van Eyck
hier lebten, hier jene neue Methode ausbildeten, welche der Malerei
eine bisher unbekannte Wirkung verlieh. Allein gewiss war dies