durch die Brüder van Eyck ausgebildete Anwendung der Oelmalerei.
Neue,
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Fontainen, in denen dcr Sonnenstrahl spielt, spiegelnde Gegenstände,
blanke Panzer, Messinggeräthe, sind mit Vorliebe und Meisterschaft
ausgeführt. Auf mehreren ihrer Bilder hatten sie sogar zu grosser
Bewunderung ihrer Zeitgenossen Spiegel angebracht, welche dem Be-
Schauer auch den Rücken der ihm zugewendeten Gestalten zeigten.
Der Spiegel ist gewissermassen ein Symbol ihres Bestrebens, die
Gegenstände in voller Wirklichkeit mit allem Detail darzustellen.
Nicht nur die Bäume mit ihren Blättern und Früchten, sondern auch
Gebäude, Möbel, Hausrath, Kleidungsstücke, Waffen und vor allem
die Menschen sind mit höchster Sorgfalt und Treue wiedergegeben,
so wie sie sie gesehen hatten. Statt der in Gesichtszügen, Tracht
und Haltung conventionellen Gestalten des vierzehnten Jahrhunderts
geben sie durchweg wirkliche individuelle Menschen in voller Lebens-
Wahrheit und in portraitartiger Auffassung. Selbst die heiligen Per-
sonen machen davon keine Ausnahme, obgleich sie einen schwachen
Anklang an die hergebrachten, typischen Züge und antike Tracht
behalten. Auch der Heiligenschein ist völlig verschwunden oder
durch eine lichte Ausstrahlung ersetzt, und dieiHerrlichkeit der
Himmelskönigin wird nur durch den Luxus der Tracht und des
Schmuckes angedeutet, dessen Vorbild die Fürsten der damaligen
Zeit gaben. Der abstrakte Idealismus des Mittelalters ist also auf-
gegeben und der Gedanke, denselben durch ein Schönheitsideal, d. h.
durch natürliche, aber in höchster Vollkommenheit gedachte Formen
.zu ersetzen, ist ihnen noch fremd; sie nehmen ihre Vorbilder, wie
sie sie finden, ohne ängstliche Auswahl und malen sie mit einer
Wahrheitsliebe, welche auch die Zufälligkeiten und Mangel ihrer
Körperbildung nicht verhehlt. Sie sind also in diesem Sinne ent-
schiedene Realisten, aber sie sind zugleich durchdrungen von der
Heiligkeit der dargestellten Personen und Hergänge und wissen diesem
Gefühle gerade durch diese Darstellungsweise den kräftigsten Aus-
druck zu geben. Schon die Gewissenhaftigkeit der Ausführung und
die Naivetät, mit der sie ihren Realismus vortragen, giebt davon
Zeugniss, dass sie denselben nicht als etwas Gleichgültiges, bloss
Technisches betrachten, sondern dass ihnen dies Verstandniss der
Natur eine neue Offenbarung, ein Geschenk ist, das sie zum Schmucke
des Heiligen zu verwenden haben. Sehr augenscheinlich ist der
Vortheil, den ihnen die portraitartige Auffassung der Figuren ge-
pwrährt; denn gerade dadurch vermögen sie den Ausdruck der Demuth
und so auch den der Liebeswärme und Andacht, der Massigung und
Milde in lebendigster Weise hervorzubringen, der dann, weil sich mit
verschiedenen Modificationen wiederholend, dem ganzen Gemälde den