Oelmalerei.
Die Erfindung der
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Das Hauptverdienst dieser Erfindung bestand nicht in der Mischung,
sondern in dem Gebrauche der Farben, darin, dass sie eine neue
Methode, man kann sagen, eine neue Malerei schufen, welche von
jener materiellen Schwere der bisherigen Technik frei war und den
Bildern eine Lebensfülle und Naturwahrheit gab, die man bisher
kaum geahnt hatte. Der Grundgedanke dieser neuen Methode war
ein sehr einfacher, er war wiederum wie das Ei des Columbus. Aber
er lief der bisherigen Praxis ganz entgegen, und die geistige Freiheit,
sich von den Traditionen der Jahrhunderte, von den Vorurtheilen
der Zeit- und Kunstgenossen loszusagen, ist Wenigen gegeben. Hatte
man es bisher für eine der Bedingungen der höheren Malerei ge-
halten, schnell trocknende Farben zu haben, um die sorgsam berei-
teten feinen Nüancen der Töne ohne Gefahr trüber Mischung neben
einander stellen zu können, so erkannten die Eycks, dass gerade in
diesem ausserlichen Nebeneinanderstellen die Ursache jener mate-
riellen Schwere der Gestalten lag, und dass man, um eine weichere,
der Natur entsprechende Verschmelzung der Töne zu erhalten, eine
Farbe haben müsse, welche nicht leicht trockne, sondern sich so
lange im flüssigen Zustande erhalte, dass der Maler die feinen
Nüancen im Bilde selbst hervorbringen und zu einem harmonischen
Ganzen verschmelzen könne. Ihre Erfindung bestand daher eigent-
lich darin, dass man Nass in Nass malen könne. Daraus folgte
dann, dass gerade die Eigenschaft der Oelfarbe, welche bisher ihre
Anwendung erschwert und verhindert hatte, sie vor allen Farben
empfahl, während sie ausserdem den Vorzug einer grösseren Wärme
und des Glanzes, den man bisher durch den hinzugefügten Firniss
zu erreichen gesucht, durch sich selbst gewährtel); diese an sich
1) Vasari selbst hatte ein richtigeres Verständniss der Erfindung, während die
Spiiteren durchweg nur an die Bereitung der Farbe mit Oel dachten. Lessing
(Vom Alter der Oelmalerei aus dem Theophilus Presbyter, 1774) entdeckte zuerst,
dass der Gebrauch der Oelfarbe sehr viel älter sei, wobei er jedoch mit richtigem
Takte bemerkte, dass dadurch das Verdienst der Gebrüder van Eyck nicht ge-
schmälert werde. Als dann aber der Traktat des Cennini bekannt wurde, der aus-
führliche, aus dem vierzehnten Jahrhundert stammende Vorschriften über die
Malerei in Oel enthielt, und zahlreiche Rechnungsnotizen aus dem Mittelalter die
Verwendung grosser Quantitäten von Oel zu Malereien nachwiesen, erhoben sich
viele Stimmen, welche die Erfindung van Eycläs, weil sie dieselbe eben nur auf
die chemische Mischung bezogen, bezweifelten, oder geradezu (wie Tätmbroni in
seiner Vorrede zum Trattato della pittura des Cennini) für eine Fabel erklärten.
Diese Oontroverse ist jetzt als erledigt, und die im Text vorgetragene Sachlage
als erwiesen zu betrachten. Schon der Commentar der Herausgeber des Vasari
zum Leben des Antonello von Messina (V01. IV. S. 83 ii), dann besonders die
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