Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Doppelphysiognomie dieser Zeit. 
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cipien mit Nothwendigkeit geltend. Die Dinge selbst sprachen für 
sich. Durch die politischen Ereignisse des 14. Jahrhunderts und die 
ruhig fortschreitende Civilisation warenedie V erliältnisse unverinerkt 
in einer Weise umgestaltet, welche sie dem Systeme des, lviilttelaltärs 
entzo  Die veränderte Stellung der Kirche, die Besc rän ung er 
feudaäen Zwischeninstanzen, die Gründung grosserä melirdodßä  
wohlgeordneter Monarchieen, die Kriege, welche urci ie a ei zur 
Sprache kommenden Fragen veranlasst wurden, die fortschreitende 
Ausbildung der Nationen in Sitten und Gebräuchen, in Sprache und 
Literatur, alles dieses gab neue Anschauungen und Bgdürfnäfß 
welche mit "enem S steme unvereinbar waren und ein tie eres illl- 
gehen auf die Natui der Dinge erforderten. Dableilergabl siclrrdann, 
dass die bisherige Quelle der Belehrung, die sc oastiscie issen- 
schaft eine sehr trübe und unsichere sei; man fühlte das Bedürfniss 
freierer Forschung und suchte, statt sich mit einzelnen abgerissenen 
Sätzen und Ueberlieferuiigen zu begnülgengt nacth; keiner kraftigeign, 
aus der Anschauun des Ganzen gesc iöp en e erzeugung. le 
grosse Aufgabe eine? ganz neuen Gestaltung der Wissenschaft zeigte 
sich iin Hintergrunde. Dazu kam denn älltlliClßhdiltSS dileselbehBe- 
wegung, wie in der Politik und in (er issensc a , sic auc im 
gewerblichen und bürgerlichen Leben regte und hier jene Fülle von 
neuen Erfindungen und Entdeckungen hervorrief, von der wir schon 
oben sprachen und welche das Eintreten eines neuen Zeitalters auch 
äusserlich unverkennbar bezeugten. Vor allem war es dann aber das 
alniende Verständniss der so lange vernachlässigten Natur und der 
erwachende Sinn für die Rechte der Individualität und des Ge- 
müthes, welche die Geister mächtig belebten und das Bewusstsein 
hervorriefen, dass man Erfahrung und Belehrung nicht bloss auf dem 
zweifelhaften Wege scholastischen Beweises, sondern durch eigene 
unmittelbare Beobachtung erlangen könne. Man fühlte, dass ein 
weiteres Vorschreiten in dieser Richtung ganz neue, unerwartete 
Resultate, eine völlig veränderte Anschauung der Welt und aller 
Verhältnisse gewähren würde, dass man also am Eingange einer viel- 
verheissenden inhaltreichen Zukunft stehe, man lebte in Hoffnungen 
und bewegte sich mit zuversichtlicher Kühnheit und Unternehrlnunigs- 
lust. S0 kam es, dass diese Zeit gewissermassen ein Doppe ant itz 
trägt. Wenn wir sie in der hartnäckigen Bewahrung hergebrachter 
Formen mit den Zeichen des Verfalls, in der Beibehaltung hohlen 
Scheins einer längst entschwundenen Jugendlichkeit beobachten, er- 
scheint sie uns mit greisenhaften Zügen; wenn wir sie dagegen in 
der Berührung mit der fast unbekannten Natur antreffen, erkennen
	        
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