Der Holzschnitt zunächst ein Hülfsmittel der Belehrung.
65
der heiligen Lehren, welche Gott durch den Mund seiner Propheten
gesprochen und noch spreche, darin liege der Seele Trost, die
Stärkung und Nahrung zu allen guten Dingen. Dies wird dann er-
läutert durch den Gegensatz gegen die weltlichen Bücher von Tristan,
Dietrich von Bern und den alten Recken, welche der Welt und nicht
Gott gedient hätten, oder von Leuten, die über Wasser und Land
umhergefahren, um neue Mähre zu bringen. Wer solche lase, der
verliere seine Arbeit, denn darin liege der Seele Trost nicht, sondern
ausschliesslich in der Liebe zur göttlichen Weisheit.
Das war es also, wonach man sich sehnte; Trost, Befreiung von
Zweifeln und Gewissensangst, religiöse Beruhigung. Man suchte „das
Eine, was Noth that", neben welchem dann zunächst andere Ziele
und Aufgaben, also namentlich die poetische Literatur und die Sorge
für politische Wohlordnung, eitel und gleichgültig erschienen. Die
Tendenz dieser populären Literatur ist daher keinesweges eine der
Kirche entgegengesetzte. Selbst von dem Bewusstsein neuer, durch
sie nicht befriedigter Bedürfnisse, oder von einer Unterscheidung
zwischen der Bibel und den späteren Satzungen ist in diesen Schrif-
ten noch keine Spur, man glaubte noch immer sich auf die Autorität
der Kirchenlehrer stützen zu müssen. Noch in dem um 1470 ge-
schriebenen „Spiegel der Sünden" verwahrt sich der Verfasser da-
gegen, dass er das Buch aus eigenem Haupte und Hirn gemacht und
zählt eine Reihe von scholastischen Werken auf, aus denen er es
zusammengestellt habe. Auch unter dem „Wort Gottes", von dem
die Einleitung zu jenem Trostbuch der Seele spricht, ist keines-
Weges bloss die Bibel gemeint, sondern die ganze kirchliche Tra-
dition. Der Verfasser nimmt augenscheinlich an, dass die Offenbarung
noch nicht geschlossen sei, sondern bis auf unsere Tage fortdauere,
wobei denn die Entscheidung, ob das gesprochene Wort aus eines
Propheten Mund stamme, nur von kirchlicher Autorität ausgehen
konnte. Auch lag in dem Bestreben, wahre, eigene, innere Reue zu
erwecken, nichts von der Kirchenlehre Abweichendes, auch diese ver-
wahrte sich gegen eine rein ausserliche Auffassung der priesterlichen
Absolution. Wohl aber konnte die mit leidenschaftlicher Energie
ausgesprochene Betonung der eigenen Reue und Busse allmälig zu
einer Verurtheilung der kirchlichen Praxis und der durch sie be-
günstigten Werkheiligkeit führen.
Man sieht aus allem diesem, dass der Holzschnitt mehr ein
literarisches, als ein künstlerisches Hülfsmittel war, mehr die Be-
lehrung, namentlich der geringeren Klassen, als eine Befriedigung
des Schönheitssinnes bezweckte. Aber indem er diese Belehrung
Schnaasrfs Kunstgesch. VIII. 5