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Sitten,
Literatur.
Gebräuche,
zum wirklichen Bücherdruck noch ein weiter Weg; es bedurfte der
Herstellung metallener Lettern von grosser Schärfe und regelrechter
Form, was mannigfache Schwierigkeiten hatte und endlich der Er-
findung und Anwendung der Presse.
Dies alles zu ersinnen und in verhaltnissmässig kurzer Zeit zur
praktischen Anwendung zu bringen, war die grosse That Johann
Gutenbergüs aus Mainz. Er stammte aus einer Patrizierfamilic,
war daher nicht von Gewerbsgewohnheiten befangen, hatte seine Ge-
danken von vornherein nicht auf Bilder oder kleinere Bücher, wie
jene sie zu verbreiten gewohnt waren, sondern auf umfangreiche
Werke gerichtet und verfolgte diesen Plan mit bewundernswerthem
Eifer. Schon 1436 finden wir ihn in Strassburg damit beschäftigt;
er kennt schon die Presse, aber seine Lettern sind noch zu unvoll-
kommen, und das Resultat ist nur ein Process mit dem Theilhaber
des Unternehmens. Bald (larauf muss er wieder nach Mainz ge-
kommen sein, wo ihn wahrscheinlich die Versuche zur Herstellung
besserer Lettern lange beschäftigten, aber endlich kam es doch zum
Drucke selbst, der nun sofort mit nichts Geringerem als einer voll-
ständigen Bibel begann, wclche 1455 oder 1456 vollendet war.
So war denn die grosse Erfindung gemacht, durch welche, wie
es SchedePs deutsche Chronik schon im Jahre 1493 schön und be-
geistert ausdrückt, „der lang verschlossene Brunn
Weisheit, menschlicher und göttlicher Kunst in die Gemeinde aus-
geleitet wurde". Deutsche Drucker arbeiteten bald in allen Ländern,
in Rom seit 1464, in Paris seit 1470, aber am eifrigsten doch noch
immer in Deutschland selbst, nächst Mainz in Strassburg und Köln
und bald in allen grösseren Städten.
Welcher Art der Wlissensdrang war, der gerade in Deutschland,
mit Einschluss der stammverwandten Niederlande, diese mannigfachen
Bestrebungen zur leichteren Herstellung der Bücher hervorrief, unter-
liegt keinem Zweifel. Wissenschaftliche Neigung oder der Wunsch
nach Unterhaltung und Zeitvertreib würden nicht im Stande ge-
dienst früherer Erfindung der wirklichen Buchdruckerei habe, scheint jetzt ausser
Zweifel. Diese und alle andern viel erörterten Fragen über die Einzelheiten
dieser Eründung liegen natürlich ausserhalb meiner Aufgabe. Dass der Hergang
im Ganzen der im Texte dargestellte gewesen, dass namentlich die xylographischen
Bücher der Buchdruckerei vorhergegangen, wird man als gewiss annehmen dürfen,
obgleich die datirten Holzschnittwerke, welche wir besitzen, alle später sind. Die
Briefdrucker versuchten eben noch eine Zeit lang mit den Buchdruckern zu con-
eurriren, oder besessen gar ältere Tafeln, welche sie benutzen wollten. Einen Be-
-weis dafür liefert eine Ausgabe des Speculum humanae salvationis, in welcher ein
Theil mit Holztafeln, ein anderer aber mit Typen gedruckt ist.