Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Die Meisterschulen. 
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mit der Symbolik des Mariencultus oder mit scholastischen Fragen, 
die in ihre Kreise gedrungen waren, zu beschäftigen. Gegen die 
Form waren sie keineswegs gleichgültig, sondern machten den vollsten 
Anspruch auf Reinheit und Kunst des Versbaues. Aber alles dieses 
geschah in kleinlicher,handwerklicher Weise, ohne Verständniss des 
Zusammenhanges von Form und Stoff, ohne Freiheit der Bewegung, 
nach überlieferten, höchst äusserlichen Regeln, auf deren Beobach- 
tung mit pedantischer Strenge gehalten wurde, unter steter Verwech- 
selung von Künstlichkeit und Kunst. 
Die Einwirkung dieser Schulen auf die Poesie war im Ganzen 
keine günstige. Die Zahl poetischer Productionen wurde gewaltig 
vermehrt, aber ihr innerer Werth ist höchst gering. Selbst in der 
Sprache sind sie roh; es giebt nicht mehr einen bevorzugten Dialekt, 
wie früher das lllittelhochdcutsche; jeder Dichter macht und sucht 
sich seine eigene Sprache. Die Dialekte mischen sich und geben so 
eine Bereicherung des Wortschatzes, aber auch eine völlige Unsicher- 
heit des Gebrauchs. Die feineren Flexionen, die tönenden Endungen 
werden vernachlässigt, man gewöhnt sich an ausschliessliche Betonung 
der Stammsilben. Jene ritterlichen Sänger hatten ein feines Gefühl 
für die Melodie des Versbaues gehabt; jetzt verliert sich jede Spur 
davon, der Reim ist die Hauptsache; man beginnt die Silben ohne 
Berücksichtigung ihres 'l'onwerthes zu zählen und erlaubt sich zur 
Erleichterung des Reimes Silben zu verschlucken oder auszudehnen. 
Auch der Inhalt zeigt die Spuren der Verwilderung und Gäh- 
rung. Man fühlt stets, dass der Verfasser mit seinem Gegenstande 
nicht völlig vertraut ist, dass er über seine Sphäre hinausgeht, ein 
sonntagliches, ungewohntes Kleid trägt. Daher das stete Schwanken 
der Begriffe, die weitläuftigen Umschreibungen statt des treffenden 
Wortes, daher das Wohlgefallen an breiter Schilderung, die Stumpf- 
heit des Ausdruckes bei feineren Empfindungen, der Wechsel von 
steifer, gezierter Haltung und von derben Actisserungen, welche die 
Rohheit der Gesinnung und ein Wohlgefallen an dem Grausamen 
und Widßrlicllen, an Schmutz und Zoten verrathen. 
Leistungen von höherem, künstlerischem Werthe, wirkliche Er- 
weiterungen des Gebietes der Schönheit konnten durch diesc-rpoe- 
tischen Bemühungen der Handwerker nicht entstehen, wohl aber 
waren sie ein Zeichen und ein Mittel weiterer Steigerung des in der 
Nation erwachten Bildungstriebes. Daher denn nun ein Begehr nach 
geistiger Aeusserung und Unterhaltung, wie es besonders unter den 
mittleren und unteren Klassen des Volkes noch nie dagewesen war. 
Neue Gattungen der Poesie kamen zwar nicht auf,'aber alle älteren
	        
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