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Sitten,
Literatur.
Gebräuche,
neben jener Verhüllung um so auffälliger war, und mit Recht An-
stoss gab, auch wohl von Zeit zu Zeit eine Reaction hervorrief, aber,
wenigstens bei den vornehmeren Ständen, immer wiederkehrte.
Die Kopfbedeckung, die im vorigen Jahrhundert überwiegend in
Gogeln oder Kapuzen bestand, wurde jetzt stets von dem Rocke ge-
trennt. Die Männer trugen Hüte oder Mützen in vielfach wechseln-
der, oft phantastischer, aber im Ganzen bequemer und nicht unzweck-
massiger Form; um den Kopf des Hutes pflegte man oft eine Binde
von leichter Seide (Sandelbiudeyzu-legen, welche vom Rande des-
selben auf die Schulter herabfiel und zum Schutze des Halses und
Gesichts benutzt werden konnte. Sehr viel auffallender und unschöner
war die Kopfbedeckung der Frauen. Schon im vorigen Jahrhundert
hatte man den Gogeln durch Drahtgestelle oder ähnliche Hülfen
wunderliche, eckige Formen gegeben. Jetzt, wo der Kopfputz selbst-
ständig und vom Kleide befreit war, überliessen sich die Damen
ganz der Neigung, sich durch möglichst grosse Ausdehnung und die
bizarrsten Gestaltungen auszuzeichnen. Sie verzichteten dabei (mit
Ausnahme eines vorübergehenden Wechsels der Mode) auf den natür-
lichen Schmuck durch eigenes Haar; dieses wurde möglichst versteckt,
um eine hohe und freie Stirne zu zeigen, über der sich dann das
Gebäude des Kopfputzes sofort erhob. Schutz gegen Licht und
Sonnenbrand gewährte dasselbe nur selten. Bald dehnte es sich nach
den Seiten hin aus, so dass zwei grosse Flügel oder Hörner den
herabfallenden Schleier trugen und dicke Ringe oder Wülste die
Ohren bedruckten. Bald gestaltete es sich helmartig mit einem von
vorn nach hinten reichenden Aufsatze. Am "längsten erhielten sich die
hohen, zuckerhutartigen Aufsätze von Draht oder steifer Pappe,
welche, nach hinten zu neigend, eine Stütze für den Schleier und so
Gelegenheit gaben, denselben lang "herabfallend oder mannigfach auf-
gesteckt und gesteift zu tragen. Diese Spitzhüte (Hennins) waren
namentlich in "Frankreich so beliebt und reizten die Eitelkeit und
Verschwendung der Frauen in solchem Grade, dass alle Mällllef da-
vor warnten und Bussprediger das Land durchzogen, um das Opfer
dieses gefährlichen Schmuckes zu erlangen; was dann freilich nur
vorübergehende Wirkung hatte.
Auch sonst wurde der Anzug immer complicirter, künstlicher
und steifer. Die phantastischen Moden des vierzehnten Jahrhunderts
erhielten sich, und zwar in erstarrter Form, während neue Anforde-
rungen der Etikette oder des Luxus hinzukamen. Erst sehr spät
verzichteten die vornehmen Herren auf den lächerlichen Gebrauch,
sich n1it Schellen zu behängen, was fortan eine Auszeichnung der