Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Tracht der Frauen. 
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tigen, in der Mitte durch den Gürtel eingeengten Masse eine starre, 
abgerundete, mit den darunter zum Vorschein kommenden engbeklei- 
deten Beinen wunderlich contrastirende Masse bildet. 
Nicht günstiger war die weibliche Tracht; auch sie litt durch 
das Uebermaass und die Schwere der Steile. Der vollständige An- 
zug der Frauen höheren Standes erforderte immer zwei Kleider über- 
einander, von denen das obere sehr lang, weit und schleppend ge- 
macht wurde und das untere nur an gewissen Stellen, meistens nur 
am Brustlatz und unmittelbar über den Füssen sichtbar waru Man 
pflegte dem Unterkleide daher an diesen Stellen einen reichen Besatz 
zu geben. Die Sucht der Frauen, sich durch verschwenderische Fülle 
des Stoffes und durch lange Schleppen auszuzeichnen, war so gross, 
dass man glaubte, ihr durch Kleiderordnungen, welche die Schleppe 
als ein Vorrecht der höheren Stände behandelten oder ein gewisses 
Maass für dieselbe verschrieben, entgegentreten zu müssen. Das 
diente indessen nur dazu, das Üebel zu verschlimmern und erzeugte 
einen Wetteifer des. Hochmuths und einen Reiz, diese Grenzen zu 
überschreiten. Dazu kam dann, dass die natürliche Sitte, das Kleid 
bis auf die Hüften eng anliegend zu tragen, schwand, und man sich 
gewöhnte, den Gürtel dicht unter der Brust zu tragen, was dann, 
besonders da man die Erfindung, das Leibchen vom Rocke zu trennen, 
erst gegen Ende des Jahrhunderts machte, die Folge hatte, an der 
schlanksten Stelle des Körpers Falten zu häufen, die, je kostbarer 
der Stoff, um so stärker wurden. Dabei gewöhnten die Damen sich 
daran, dass sie, theils um das reiche Unterkleid und den feinen, zu- 
gespitzten Schuh zu zeigen, theils aber auch, um die Last des langen, 
schleppenden Kleides dem Körper zu erleichtern, das Oberkleid hoch 
aufnahmen und in schweren, bauschigen Falten vor sich her trugen. 
Dadurch kam es denn, dass es Mode bei den Damen wurde, sich 
nicht gerade zu halten, sondern Kopf und Brust zurückzubeugen 
und den Leib vorzustrecken. Eine Sitte, die zwar nirgends aus- 
drücklich erwähnt ist, von der aber alle Bilder jener Zeit Zeugniss 
geben, und die ohne Zweifel an den Höfen entstanden, demnächst 
aber auf die Frauen des Bürgerstandes übergegangen und zuletzt so 
allgemein geworden war, dass das Auge sich völlig an sie gewöhnte 
und selbst die Maler den weiblichen Körper stets in dieser Haltung, 
so unschön sie war, darstellen zu müssen glaubten. Während so die 
edle Bildung des Körpers von dichten Massen des Stoffes umhüllt 
und entstellt war, brachte es die leichte Sitte der Höfe und die 
Eitelkeit der Frauen dahin, dass die Brust weit entblösst oder doch 
uurmit völlig durchsichtigem Stoffe bedeckt wurde, was denn gerade
	        
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