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Sitten,
Literatur.
Gebräuche,
Jahrhundert behielt diese bizarren Moden bei, büsste aber den Cha-
rakter des Jugendlichen und Naiven ein. Bei den enganliegenden
Unterkleidern der Männer begnügte man sich nicht mit der ein-
fachen oder geradlinig getheilten Farbe, sondern gab ihnen durch
farbige Streifen oder aufgenähte Zierrathen, sowie durch mannigfaeh
gestaltete, geradlinige oder geschwungene Schlitze oder Puffen auf
Brust, Aermeln und Schenkeln, durch welche man das weisse Hemde
sah, ein bunteres Ansehen. Auch begnügte man sich nicht, durch
anliegende Kleider die natürliche Bildung des Körpers hervorzuheben,
sondern suchte derselben durch enge Sclmürleiber und durch wattirte
Stellen auf der Brust, den Armen und Schenkeln nachzuhelfen, und
gewöhnte sich endlich so sehr an solche geschwollene Formen, dass
man die wattirten Theile auch mit anderen Stoffen überzog, und so
statt der natürlichen eine künstliche Gestalt zeigte. Ja der Ge-
schmack verirrte sich so weit, dass es eine Zeitlang Mode war, die
Schultern durch stark wattirte Aufsätze zu erhöhen und zwar dies
in solchem Grade, dass es sich auch bei dem Gebrauch eines weiten
Oberkleides noch stark bemerkbar machte und dem Körper den
Schein einer Missbildung gab. Auch die Ueberkleider verloren den
Charakter einfacher, die freie Bewegung gestattender Hüllen. Sie
waren nach Bedürfniss und Mode höchst mannigfach gestaltet; bald
ganz lang, bis auf die Knöchel herabfallend, sogar nach allen Seiten
schleppend, bald nur bis an die Kniee reichend, oder noch kürzer,
so dass sie kaum die Hüften bedeckten; bald mit mehr oder weniger
weiten, auch wohl aufgeschlitzten und herabhängenden Aermeln ver-
sehen, bald ohne solche mit Oeffnungen zum Durchreichen des Armes,
zuweilen auf der Brust geöffnet, gewöhnlich aber ringsumher ge-
geschlossen. Meistens sind sie übermässig weit, so dass der Gürtel
über und unter den Hüften Falten bildet, welche dann zuweilen auch
schon vorbereitet und genäht wurden und so als Verzierungen
dienten. Dazu kamen dann Verbrämungen mit Pelzwerk und Be-
sätze mit "Lappen und Zaddelwerk", d. h. mit Reihen von gleich-
mässig ausgeschnittenen Lappen, die besonders den kürzeren Ueber-
kleidern der eleganten, jüngeren Männer ein sehr buntes Ansehen
gaben. Zuweilen machen diese Trachten den Eindruck des Bequemen
und Behaglichen, ja sogar, "was namentlich von der langen Rebe
gilt, welche die Mitglieder der gelehrtenj Stände oder ältere vor-
nehme Personen trugen, den des Würdigen. In den meisten Fällen
aber geben sie der Gestalt den Ausdruck des Steifen, Schwerfälligen,
ja Puppenartigen. Dies besonders bei dem gewöhnlichen, etwa bis
ans Knie reichenden Ueberrocke, der dann mit seiner dicken, fal-