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Sitten,
Gebräuche,
Literatur.
Angaben durch unzählige Nachrichten und Beweise bestätigt. In
ihnen war der Sitz der Gewerbe und des Handels, des Luxus und
der Genusssucht und endlich auch der Bildung. Zuwihnen wandte
sich der Adel von seinen einsamen Burgen, wenn er Feste feiern,
wenn er sich ausrüsten, mit seinen Bedürfnissen versehen, wenn er
sich Rath holen wollte. In ihnen weilten auch die Fürsten gerne
und oft lange und liesen sich die Bewirthung und die Feste wohl-
gefallen, deren Glanz aus dem städtischen Säckel bestritten wurde.
Der ritterliche Kaiser Max kannte keinen lieberen Aufenthalt, als
sein getreues Augsburg. Aus den Städten gingen aber auch vor-
zugsweise die rechtsgelehrten, staatsklugen Männer hervor, deren die
Fürsten in den verwickelten Zuständen Deutschlands bedurften, die
ihnen als Räthe zur Seite standen oder sie als Abgesandte vertraten.
Dazu kam, dass die Verhältnisse selbst in den Fürsten bürgerliche
Eigenschaften entwickelten. Sie waren durch den Verfall des König-
thums in eine selbständige und anspruchsvolle Stellung gelangt,
welcher der Umfang ihres Besitzes nur unvollkommen entsprach.
Sie mussten an Abwehr ihrer feindlichen Nachbarn, an Begründung
grösserer Sicherheit denken, sie hatten für ihre Nachkommen zu
sorgen und überhaupt zu viele Pflichten zu erfüllen, um sich einen
kostspieligen Luxus erlauben zu können. Ihre beschränkten, durch-
einander liegenden Territorien, der Anschluss an die mächtigen freien
Städte legten ihnen vielfache Rücksichten auf, welche es nicht zu
jenem Gefühl hochmüthiger Ueberliebung kommen liess, wie bei dem
französischen Adel. Weit entfernt, sich wie dieser der Geschäfte zu
schämen, hielten es daher auch die mächtigsten deutschen Fürsten
nicht unter ihrer Würde, sich um alle Einzelheiten ihrer Regierung
und ihres Hofhaltes zu beküminern. Die Zahl jener hausväterlichen
milden Regenten von einfacher Erscheinung und bescheidenem Auf-
treten nach dem Vorbilde Rudolplrs von Habsburg, deren Geschlecht
freilich in Deutschland niemals ganz ausgestorben war, mehrte sich
daher, und durch alle Stände verbreitete sich ein schlichter, bürger-
licher Sinn. Während man in den westlichen Ländern die äusseren
Formen des Ritterthums in phantastisch gesteigerter Nachahmung
beibehielt, gab man hier eher dem Gefühl für Wahrheit und Natur
Raum. Die ritterliche Minne war dort zu einer zweideutigen Galan-
terie geworden, neben welcher die aus der idealen und asketischen
Richtung des Mittelalters entstandene Trennung C16? Begriffe Von
Ehe und Liebe sich vollkommen erhielt. In Deutschland dagegen
nähern sich diese Begriffe, und wir finden selbst in fürstlichen Häu-
sern mehrere Fälle, wo die Liebe mit den politischen Rücksichten in