Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Emporkommen des Bürgerstandes und der Städte in Deutschland. 
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aussern konnte, weil es in den idealen Aufgaben feste Schranken hatte, 
war jetzt bei dem Fortfallen dieser Aufgaben und den vermehrten 
Mitteln des Genusses der Gefahr der Entartung in Sinnlichkeit und 
Rohheit ausgesetzt. Man konnte sich nur dadurch davor bewahren, 
dass man die Zeichen der Achtung, welche sonst jene Thätigkeit 
verschaffte, als Standesvorrechtc festhielt. 
Am wenigsten gedieh diese aristokratische Sitte in Deutsch- 
land. Hier gab es keinen bleibenden Königshof, an dem sich eine 
solche bilden konnte. Die Kaiser waren eben nur Landesherren, die 
vorübergehend mit einer hohen, aber wenig einträglichen Würde be- 
traut waren, und deren Mittel für den nothwendigen Aufwand, den 
diese erforderte, nur unvollkommen ausreichten. Die Landesherren 
waren nicht reich und mächtig genug, sie waren auch zu zahlreich, 
sahen an ihren Höfen nur einen kleinen Theil des deutschen Adels 
und standen ihm zu nahe, um zu imponiren. Der Adel selbst hatte 
von seinen Rechten wenig oder nichts eingebüsst, fühlte daher auch 
nicht das Bedürfniss, sie durch eine vornehme Haltung zu ersetzen 
und war zu arm und zu roh, um sich durch glänzende Lebensweise 
und feinere Genüsse auszuzeichnen. Eben jene Vielheit der Gewalt- 
haber, welche die politische Einheit brach, verhinderte auch eine 
scharfe, gesellige Sonderung. Von dem Kaiser und den mächtigen 
Kurfürsten bis zu dem dürftigsten ritterlichen Burgherrn, der auf 
seinem Felsen zwischen dem Kuhstalle und der Waffenschmiede 
trotzig hausete, war eine so allmalige Abstufung, dass eine Ausglei- 
chung der Sitten und der Denkungsweise nicht ausbleiben konnte, 
bei der dann das bürgerliche Element bald das vorherrschende 
war. In den Städten beruhte hauptsächlich die Kraft, der Reich- 
thum und die Bildung Deutschlands. Man sehe nur, wie Aeneas 
Sylvius sie schildert. In Nürnberg und Strassburg schienen ihm 
manche Bürgerhäuser Paläste, in Wien imponirt ihm nicht nur die 
Stephanskirche, sondern auch der Steinbau der hohen I-Iaifser mit 
ihren fürstlichen Eingängen und dem, in Italien damals noch nicht 
sehr verbreiteten Luxus geschlossener Glasfenster. Schöner als Köln 
weiss er keine Stadt; so viele behagliche und freundliche Städte wie 
Deutschland besitze selbst Italien nicht. Die Lebensweise der Bür- 
ger erregt sein Erstaunen; die Frauen glänzen von Gold, der Haus- 
rath ist wohl ausgestattet, kein Gastmahl, wo nicht aus silbernen 
Gefässen getrunken wird. Es ist richtig, dass Aeneas bei dieser 
Schilderung einen politischen Zweck hatte; er wollte die Behauptung, 
dass das Land durch die gesteigerten Erpressungen der Kirche ver- 
arme, widerlegen. Aber in Beziehung auf die Städte werden seine
	        
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