Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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Gebräuche, 
Sitten, 
Literatur. 
Steife Etikette in Frankreich. 
Attrapen versehen, mit sprechenden Eremiten, Thieren, die sich be- 
wegten, und Aehnlichem, besonders aber auch mit Wasserkünsten, 
die dem Herzog erlaubten, einen Sprühregen hervorzubringen und so 
seine Gäste zu überraschen und zu necken 1).  
Neben dieser bunten und leichtfertigen Lebenslust und Genuss- 
sucht bestand aber die steifste Etikette. Die Uebersicht des Hof- 
staates der Herzöge von Burgund erweckt Erstaunen durch die ge- 
waltige Zahl und durch die ängstliche Abmessung der verschiedenen 
Functionen der vornehmen und gemeinen Dienerschaft. Die Speisen 
für den Herzog wurden schon in der Küche in bestimmt geregelter 
Weise unter den Augen eines höheren Hofbeamten angerichtet und 
gingen dann in genau vorgeschriebener Folge durch verschiedene 
Hände, bis sie an die Tafel des Fürsten gelangten, hinter dessen 
Sessel sechs Aerzte standen, um zu prüfen, welche Schüsseln seinem 
Gesundheitszustande zusagtcn. 
Es versteht sich, dass die Sitten nicht überall genau dieselben 
waren; die Charaktere der Herrscher und die verschiedenen iEigen- 
schaften der Nationen wirkten darauf ändernd ein. Aber die Neigung 
zu schwülstigem, schwerfalligem Pomp und die schroffe Betonung der 
Rangverhältnisse machen "sich überall geltendf Es giebt kaum einen 
grösseren Gegensatz, als- den zwischen der glänzenden, leichtlebigen 
Hofhaltung Philipps des Guten und der düsteren Einsamkeit, in wel- 
cher Ludwig XI. in seinem Schlosse Plessis les Tours zwischen Wald 
und Gräben, von Wachen umstellt, in Gesellschaft seiner ernsten 
Rathe und weniger niedriger Diener seine Entwürfe ausbrütete. Aber 
jene prunkhafte Ritterlichkeit, die am burgundischen Hofe eine so 
glänzende Anerkennung fand, war eine französische Sitte, und Lud- 
wig XI. hatte keinen Grund, ihr, so wenig sie ihm selbst zusagte, 
entgegenzutreten. Es war ihm ganz gelegen, wenn sich der Adel in 
eitlem Treiben erschöpfte und zerstreute, was denn auch in jeder 
Beziehung geschah. Schon Commines spottet über die Vornehm- 
thuerei des französischen Adels. Jeder kleine Edelmann, behauptet 
er, wenn er auch nicht mehr als dreizehn Livres Rente habe, spiele 
den grossen Herrn und verweise geschäftliche Anfragen „an seine 
Leute". Es lag in der Zeit, dass die höheren Stände sich mit einem 
steifen und barocken Ceremoniel umgaben. Das natürliche Gefühl, 
das sich im Mittelalter mit einer grossen Freiheit und Naivetat 
1) Selbst die Damen des Hofes wurden nicht geschont. Im Schlosse zu Hesdin 
wurde in einem Zimmer eine durch den Druck an einer nur dem Herzog bekannten 
Stelle in Bewegung gesetzte Wasserkunst angebracht „p0ur mouiller les dames 
par dessoulz". De Laborde, Ducs de Bourgogne, 957. der Rechnungen. 
	        
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