Ernster Prunk und derbe Scherze am burgundischen Hofe.
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in den Geist, der dabei herrschte, einzuführen. Das prachtvollste
dieser Feste ist auch durch seine Veranlassung merkwürdig. Nach
der Einnahme von Constantinopel durch die Türken im Jahre 1453
erliess Pius II. an alle Fürsten die Aufforderung zu einem Kreuz-
zuge, welche dann von diesen durchweg mit respectvoller Würde und
mit mehr oder weniger bedingten Zusagen aufgenommen wurde, ob-
gleich es, wie man leicht voraussehen konnte, zu dem Zuge selbst
niemals kam. Philipp dem Guten genügte nun eine solche einfache
Zusage nicht, sondern er benutzte diese Veranlassung zu jenem non
plus ultra der Feste, welches im Jahre 1454 zu Lille gefeiert wurde.
Da erschien während der Mahlzeit die Kirche selbst, als verschleierte
weibliche Gestalt, auf einem Elephanten sitzend, von einem Riesen
geführt, welche ihren Schmerz über den Sieg der Ungläubigen und
den Mangel der Hülfe in langem Klageliede aussprach; darauf dann
der von dem Ehrenholde des goldenen Vliesses geführte Zug, welcher
den mit Perlen und Edelsteinen geschmückten Fasanen geleitete, auf
welchem der Herzog und seine Ritter das Gelübde des Kreuzzuges
ablegten, endlich, nachdem die Kirche dafür ihren freudigen Dank
gesungen, Grace-Dieu, die durch eine in weisser Seide gekleidete
Dame repräsentirte Gnade Gottes, welche die Tugenden einführte
und dem Herzoge ihren Beistand bei seinem frommen Unternehmen
verhiess. Charakteristisch ist, dass mit diesem ernsten, ritterlichen
Prunk nicht nur die gewöhnlichen Ergötzlichkeiten, Tanz und Spiele"
aller Art, sondern auch recht derbe Scherze verbunden waren. S0
befand sich an einem Ende des Saales eine unbekleidete, nur durch
ihr langes Haar und einen leichten Schleier verhüllte weibliche Ge-
stalt, deren Brüste Hypoeras, ein beliebtes Getränk, ergossen, und
auf der Tafel sah man einen nackten Knaben, der in noch naiverer
Weise Rosenwasser spendete. Der Luxus war im höchsten Grade
gesteigert; der Herzog trug ein mit Rubinen besetztes Kleid, das
man auf Hunderttausende von Goldgulden schätzte, und Ritter und
Damen erschienen bei mehrmaligem Wechsel des Costüms stets in
Samnit und Seide. Bei einem andern Feste, das bei Gelegenheit
der Vermählung Karls des Kühnen zu Brügge im Jahre 1467 ge-
geben wurde, waren, zufolge der noch vorhandenen Rechnungen, etwa
hundert Maler und Bildhauer mehrere Wochen lang mit der Anfer-
tigung von Deeorationen und Schaustücken beschäftigt. Die Vorliebe
für Maschinerie und Ueberraschungen beschränkte sich nicht auf
ausserordentliche Feste, sondern gehörte zu dem alltäglichen Leben
des Hofes. Die verschiedenen Schlösser Philipps des Guten waren,
wie wiederum die Rechnungen beweisen, mit einer Menge von