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Sitten,
Literatur.
Gebräuche,
Gebet vor dem Kampfe wird ganz theatralisch behandeltl). Man
ahmt überhaupt die Erfindungen der Ritterromane nach. Auch ir-
rende Ritter kommen vor, die freilich nicht in Wäldern und Ein-
öden mit Räubern. und Ungeheuern kämpfen, sondern mit Erlaubniss
ihres Lehns- oder Soldherrn an fremden Höfen Turniere besuchen.
Sie tragen dann irgend ein Zeichen (emprise) ihrer Dame, etwa einen
Schleier oder Handschuh an sich, dessen Berührung als Annahme
der Ausforderung nach den von der Dame aufgestellten, versiegelten
Kampfbedingungen gilt. Aber dieses ganze Spiel ist völlig ein höiisches.
Auch dann, wenn die Turniere nicht von Fürsten gegeben, sondern
von einzelnen oder mehreren zu diesem Zwecke vereinigten Ptitterh
unternommen werden, ist der Hof nothwventlig zugegen und der Fürst
so sehr der natürliche Kampfrichter, dass er sich, wenn ihn Geschäfte
abhalten, entschuldigt und für seine Vertretung sorgt.
Noch prunkhafter zeigte sich diese Lust am Theatralischen und
Maskenhaften bei Festen, welche die Fürsten zur Feier von Familien-
ereignissen oder zu einem politischen Zwecke veranstalteten, und die
gewöhnlich mehrere Tage dauerten und öffentliche Aufzüge, Mahl-
zeiten, Turniere und Bälle umfassten. Da waren denn die Speise-
tische mit phantastischen Aufsätzen decorirt, die oft so gross waren,
dass sie Musikchöre oder doch Männer verbargen, welche Darstel-
lungen von beweglichen Figuren leiteten. Zwischen den Gängen der
Mahlzeit wurden auf dazu errichteten Bühnen musikalische oder pan-
tomimische Darstellungen ausgeführt, oder sog. entremets mouvans
veranstaltet, Festzüge, welche sich um die Tafel herum bewegten,
bald von Gauklern, die etwa als wilde Thiero, oder als Trompeter
auf rückwärts gerittenen Pferden erscheinen, oder aus einer Ma-
schinerie (etwa als Seejungfern aus einem Wallfische) heraustreten,
bald aber auch von Personen des Hofes, die dann meistens einen
allegorischen Gedanken darstellen und nicht selten Reden in Prosa
und Versen vortragen. Auch für solche Feste wurde der Hof der
Herzöge von Burgund das Vorbild aller anderen Höfe, und die ge-
nauen Beschreibungen von mehreren der dort gefeierten Feste, welche
uns Olivier de la Marche liefert, sind daher vorzüglich geeignet, uns
kleidern (Chap. 18 a. a. O). Bei einem andern 'l'urniere erscheinen ein Greis in
einer Sänfte, der chevalier esclave, eine demoiselle errante u. s. f.
1) Während man es gewöhnlich kniend vor einem auf ein Fähnlein gemalten
Heiligenbilde (bannerole de devotion) zu verrichten pflegte, hält es einmal ein Ritter
in vollständiger Bewaffnung vor seinem Zelte sitzend, was Olivier sehr bewundert:
I1 avait les jambes croisees, et ä. 1a. verite il ressemblait Ei un Cesar ou ä. m1 preux.
V01. II. p. 35 chap. 21.