Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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Sitten, 
Literatur. 
Gebräuche, 
Gebet vor dem Kampfe wird ganz theatralisch behandeltl). Man 
ahmt überhaupt die Erfindungen der Ritterromane nach. Auch ir- 
rende Ritter kommen vor, die freilich nicht in Wäldern und Ein- 
öden mit Räubern. und Ungeheuern kämpfen, sondern mit Erlaubniss 
ihres Lehns- oder Soldherrn an fremden Höfen Turniere besuchen. 
Sie tragen dann irgend ein Zeichen (emprise) ihrer Dame, etwa einen 
Schleier oder Handschuh an sich, dessen Berührung als Annahme 
der Ausforderung nach den von der Dame aufgestellten, versiegelten 
Kampfbedingungen gilt. Aber dieses ganze Spiel ist völlig ein höiisches. 
Auch dann, wenn die Turniere nicht von Fürsten gegeben, sondern 
von einzelnen oder mehreren zu diesem Zwecke vereinigten Ptitterh 
unternommen werden, ist der Hof nothwventlig zugegen und der Fürst 
so sehr der natürliche Kampfrichter, dass er sich, wenn ihn Geschäfte 
abhalten, entschuldigt und für seine Vertretung sorgt. 
Noch prunkhafter zeigte sich diese Lust am Theatralischen und 
Maskenhaften bei Festen, welche die Fürsten zur Feier von Familien- 
ereignissen oder zu einem politischen Zwecke veranstalteten, und die 
gewöhnlich mehrere Tage dauerten und öffentliche Aufzüge, Mahl- 
zeiten, Turniere und Bälle umfassten. Da waren denn die Speise- 
tische mit phantastischen Aufsätzen decorirt, die oft so gross waren, 
dass sie Musikchöre oder doch Männer verbargen, welche Darstel- 
lungen von beweglichen Figuren leiteten. Zwischen den Gängen der 
Mahlzeit wurden auf dazu errichteten Bühnen musikalische oder pan- 
tomimische Darstellungen ausgeführt, oder sog. entremets mouvans 
veranstaltet, Festzüge, welche sich um die Tafel herum bewegten, 
bald von Gauklern, die etwa als wilde Thiero, oder als Trompeter 
auf rückwärts gerittenen Pferden erscheinen, oder aus einer Ma- 
schinerie (etwa als Seejungfern aus einem Wallfische) heraustreten, 
bald aber auch von Personen des Hofes, die dann meistens einen 
allegorischen Gedanken darstellen und nicht selten Reden in Prosa 
und Versen vortragen. Auch für solche Feste wurde der Hof der 
Herzöge von Burgund das Vorbild aller anderen Höfe, und die ge- 
nauen Beschreibungen von mehreren der dort gefeierten Feste, welche 
uns Olivier de la Marche liefert, sind daher vorzüglich geeignet, uns 
kleidern (Chap. 18 a. a. O). Bei einem andern 'l'urniere erscheinen ein Greis in 
einer Sänfte, der chevalier esclave, eine demoiselle errante u. s. f. 
1) Während man es gewöhnlich kniend vor einem auf ein Fähnlein gemalten 
Heiligenbilde (bannerole de devotion) zu verrichten pflegte, hält es einmal ein Ritter 
in vollständiger Bewaffnung vor seinem Zelte sitzend, was Olivier sehr bewundert: 
I1 avait les jambes croisees, et ä. 1a. verite il ressemblait Ei un Cesar ou ä. m1 preux. 
V01. II. p. 35 chap. 21. 
	        
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