Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

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und Charakterbildung 
Geistige Richtung 
des 
Jahrhunderts. 
einen Reichthum, wie kaum irgend eine spätere Zeit. Allerdings 
haben diese Gestalten noch ein gemeinsames Gepräge, das sie von 
unseren Zeitgenossen und von denen der dazwischen liegenden Jahr- 
hunderte unterscheidet, aber dieser Unterschied ist nicht stark genug, 
um uns das Verständniss zu erschweren und diese Gemeinsamkeit 
enthält einen Zug, der die höchste Mannigfaltigkeit möglich macht. 
Es wird zweckmässig sein, durch einige Beispiele bekannterhistorischer 
Figuren uns die Grösse dieser Mannigfaltigkeit zu vergegenwärtigen. 
Welche Gegensätze finden wir schon unter den lilännern, die mit dem 
hochklingenden kaiserlichen Titel an der Spitze des deutschen Reiches 
standen. Gleich an der Schwelle des Jahrhunderts tritt uns Kaiser 
Sigismund (1411-1437) entgegen. Von schöner, imponirender Ge- 
stalt, nicht ohne ritterlichen Muth, klug, ziemlich unterrichtet, dabei 
als König von Ungarn und nachher von Böhmen, sowie als Inhaber 
bedeutender Reichslehen nicht ohne lllacht und Mittel, schien er in 
jeder Beziehung wohl für seine hohe Stellung ausgerüstet. Aber sein 
leichter, genusssüchtiger Sinn und die hohe Vorstellung von seiner 
Würde bewirkten, dass er die Geschäfte nicht blos des Reiches, son- 
dern auch seiner Länder gänzlich vernachlässigte und nur für Re- 
präsentation, für Glanz und Feste sorgte. 'l'rotzdem, dass er seine 
eigenen Besitzungen und die dem Reiche heimfallenden Lehen ver- 
kaufte oder verpfändete und mit kaiserlichen Privilegien einen offenen 
Handel trieb, war er beständig in Geldnoth, so dass er sogar sein 
Silbergeschirr versetzen musste. Dies hinderte ihn aber nicht, sich 
vorzugsweise in die Geschäfte zu mischen, bei denen er als Ober- 
haupt der Christenheit auftreten zu dürfen glaubte. Auf den Gon- 
cilien zu Constanz und Basel vollbrachte er dies nicht blos mit 
grosser Pracht, sondern auch mit grossem Eifer. Der hier erlangte 
scheinbare Erfolg reizte ihn aber, den Vermittler zwischen den da- 
inals in blutigem Kriege streitenden Königen von Frankreich und 
England zu spielen. Er ging daher ohne Heeresmacht, als ob es 
seiner kaiserlichen Person nicht fehlen könne, nach Paris und Lon- 
don, was ihm dann Feste und Ehrenbezeigungen, aber auch manche 
Verlegenheit und Demüthigung einbrachte und jedenfalls erfolglos 
blieb. Bei seinem spät unternommenen Röinerzuge blieb er, durch 
Geldnoth und trotz seines vorgerückten Alters auch durch ein 
Liebesabenteuei- aufgehalten, ein ganzes Jahr in Siena und wurde 
recht eigentlich zum Gespötte der Italiener. Aber er war es, der 
das Reich mit dem anspruchsvollen Wappen des Doppeladlers be- 
schenkte, und am Ende seiner wirkungslosen Regierung setzte er sich 
im kaiserlichen Ornate in seinem Sessel zurecht und verordnete,
	        
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