Volltext: Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Bd. 8)

Aberglaubens. 
des 
Neue Art, 
Scholastische Pedanterie. 
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nicht erst durch scholastische Formeln oder kirchliche (Zeremonien 
bedingten Verkehr mit Gott, nach einer innigeren, lebendigeren Fröm- 
migkeit, nach einer Liebesfülle, die alle Geschöpfe Gottes umfasste. 
Schon der h. Franziscus hatte alle Thiere und Pflanzen als seine 
Brüder angeredet und mit ihnen das Loblied auf den Schöpfer a11- 
zustimmen versucht. Bei den Mystikern des vierzehnten Jahrhunderts 
trat dies Naturgefühl noch stärker hervor, sie schildern die Natur 
als den Abdruck göttlicher Ideen, als einen Spiegel, in dem wir Gottes 
Sein und Wesen anschauen können; sie trachten danach, sich mit 
etwas Bildlichem zu umgeben. Bei ihnen indessen, wie überhaupt 
im Mittelalter, hatte dies noch. einen visionären, schwarmerischen 
Charakter angenommen, der sehr bald Bedenken erregte, vor dem 
schon die Brüder des gemeinsamen Lebens warnten, und der jetzt 
noch weniger genügte. In der Bedrängniss der Kirche, wo selbst 
die scholastischen Systeme, die gewaltigen Gebäude logischen Ver- 
standes, wankten, bedurfte man eines festeren, rein objectiven 
Bodens. Was aber konnte fester sein als die Natur, als Gottes un- 
mittelbare Schöpfung? Man betrachtete sie daher mit Blicken der 
Sehnsucht und Liebe, man vermochte sie noch nicht zu begreifen, 
aber man suchte ihre Erscheinung sich zu vergegenwärtigen, fand 
darin eine andachtige Befriedigung. 
Ein Zeugniss für das Dasein eines solchen Naturgefühls gibt uns 
das merkwürdige Buch, welches ein gewisser Raymundus von Sa- 
bunde oder Sabiande, ein Spanier, der aber in Toulouse Medicin 
und Philosophie lehrte, unter dem Titel: Theologia naturalis in den 
Jahren 1434 bis 1436 schrieb 1). Er schliesst sich dabei den scho- 
lastischen Versuchen, das Dasein und Wesen Gottes durch die Schöpfung 
zu beweisen, noch nahe an, folgt im Wesentlichen dem Thomas von 
Aquino, schildert die Natur als die Gesammtheit der Geschöpfe, in- 
dem er diese in eine Stufenleiter bringt, deren Gipfel der Mensch 
ist und schliesst aus dem Wesen desselben, als des höchsten Resul- 
tates der Schöpfung, auf das Wesen Gottes, das er dann nach der 
hergebrachten kirchlichen Lehre entwickelt. Auch seine zahlreichen 
Gleichnisse zeigen keineswegs ein tieferes Verständniss der Natur. 
Viele sind sonderbarerweise aus der Grammatik genommen, einige 
aus menschlichen Verhältnissen, aus dem des Königs zu seinen Unter- 
thanen, des Bräutigams zur Braut, des Künstlers zum Kunstwerke. 
Selten kommt ein tieferes physikalisches Bild vor, wie z. B. die Ver- 
1) Vgl. die Lehrbücher der Geschichte der Philosophie von Rixner, Hegel, 
Ritter u. A. und eine Nachweisung der neuesten Literatur bei Zöckler, Theologia 
naturalis, Frankfurt a. M. I. 41.
	        
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