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Buch IV.-
Norden
XVI.
Jahrhundert.
Ital.
Einfluss.
haben sogar Manches aus erster Hand, was die ausseritalie-
nische Kunst erst. aus zweiter Hand, nämlich von-ihnen selbst
entlehnte. hllerkwürdig ist diese Periode indess doch; nicht
bloss durch ihren Zusammenhang mit der Zeitgesehichte,
sondern Nund hauptsächlich durch den innern Kampf, welchen
der noch immerzu Grunde liegende, zu baldigem neuem
Aufblühen bestimmte Realismus gegen die von Italien aus-
gegangenen allgemeinen Ideale führt indem er sie an zahl-
losen Stellen durchbricht und durch Abenteuerlichkeiten oft
auf komische Weise stört.
Wir betrachten zunächst die niederländische
K unstx"), in welcher die Üebergänge am deutlichsten zu
Tage liegen.
Mehrere der im Vorigen namhaft gemachten Meister,
welche die heimische Conipositionsweise durch das Studium
italienischer Kunst zu verbessern bemüht Waren, hatten in
der späteren Zeit ihrer Wdrksalnkeit das Zwiespaltige einer
solchen Verbindung erkannt und sich gänzlich der Nachah-
mung italienischer Malerei zugekehrt. Im weiteren Verlaufe
des XVI. Jahrhunderts fand die letztere Richtung in immer
ausgedehnterem Maasse statt. Und zwar wandte man sich
zunächst ausschliesslich der Horentinischen und römischen
Schule zu, indem man hier dasjenige, was man in der Hei-l
math vermisste: eine vollkommene und grossartige Entwik-
kelung der Form, als charakteristische Eigenthümlichlteit
bereits entwickelt vorfand. Doch gilt auch von diesen Nach-
ahrnern (und in noch stärkerem Maasse) dasselbe, was be-
reits bei den vorgenannten Künstlern gesagt ist, dass ihnen
nämlich der innerliche, ethische Lebenspunkt, aus dem jene
freiere Schönheit der grossen Meister Italiens hervorgegan-
gen war, fremd blieb, dass sie in der Nachahmung äusser-
lieber Typen verharrten, dass das Ideal, zu dessen Höhe
sie sich allerdings emporschsvangen, nur als ein formelles,
inhaltloses, innerlich todtes zu betrachten" ist. Nurin Por-
ü) Vgl. Schnaase, Niederländische Briefe, S. 249 ü". Waagen,
Paris, S. 541 ff. Die weitere Geschichte der Landschaft und des
Genre im XVI. Jahrhundert behalten wir dem folgenden Buche vor.