252.
Holzschnittwcrke
der
Todtentanz.
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Stände mitten im Leben, in ihrer täglichen Umgebung
unversehens vom Tode überrascht werden und macht das
noch mit Fleischlappen behangene Skelett (nachdem schon die
"altern Todtentänze etwas Höhnisches hineingelegt) unmittel-
bar zu einem tückischen Dämon, welcher mit scheusslicher
Schadenfreude Jeden in Ausübung seiner Geschäfte und
Würden stört. Den Papst packt er von hinten, während der-
selbe einen König krönt; dem zwischen Plot-lauten und Sup-
plicanten throncnden Kaiser drückt er die Krone ins Haupt
hinein; dem am Prunkmal sitzenden König kredenzt er Gift;
der stolzen Kaiserin, welche zwischen ihren schweigend
blinkenden Frauen einherschreitet, zeigt er mit der Geberde
eines Galans das offene Grab; der Königin naht er in der
Verkappung eines Hofnarren; dem mit seinen Falkenieren
prunkvoll ins Chorziehenden Domherrn zeigt er an der Sand-
uhr, welches die Hora sei; dem bestechlichen Richter windet
er von hinten den Stab aus der Hand; den Priester mit der
Monstranz begleitet er als Sacristan mit Laterne und Glöck-
chen; zu der Nonne, welche beten will und sich doch nach
ihrem Zitherspielenden Buhlen umwendet, schleicht er heran,
um die Lichter ihres Altärchens auszulöschen; dem Wucherer
holt er das Geld und damit auch die Seele weg; den Schiff-
leuten erklettert er ihr vom Sturm gejagtes Schiff und reisst
es in den Abgrund; dem Edelmann zerschmettert er das
Wappenschild am Kopfe; der Braut, welche sich eben
schmücken will , hängt er von hinten ein Halsband von
Todtenknochen um; den Räuber, der eben ein Marktweib
überfällt, würgt er von hinten, u. s. w. Auf einem der spä-
tern Blätter sieht man einen elenden Krüppel auf einem
Misthaufen; wie Alles ohne Erbarmen an ihm vorübergeht,
lässt ihn auch der Tod sitzen. Jede sittliche Verklärung
des letzten Schicksals, jede Grösse des Fatum's ist hier mit
Absicht von der Hand gewiesen; denn die paar beigefügten
Blätter mit der Auferstehung u. s. W. können (10011 hiefür
nicht als Ersatz gelten. Aber welche Tiefe der Lebensauf-
fassung, welch freien Blick über die Dinge der irdischen Welt
setzt dieser verwegene Humor, diese vernichtende Ironie vor-