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Buch IV.
Norden.
XV I.
Jahrhundert.
Sachsen.
246.
blösst, indem er mit seltsam diabolischem Hohn auf jenen
herabschaut. Im Hintergrunde ein ifelsiges Gebirge. Ich
glaubte in dem Bilde einen Moment aus der alten Geschichte
des Tannhäusers, der zu dem Venusberge verlockt Ward, zu
erkennen ü). Ein andres reiehes Mährchenbild, dazu das
alte Testament den Stoff hergegeben, befindet. sich in der
öffentlichen Galerie zu Augsburg. Man sieht hier Delila, in
einem schönen Garten sitzend, und den Simson, der als ein
stolzer Ritter mit reichen Goldschienen angethan ist und, den
Eselskinnbacken in der Hand, in ihrem Schoosse schläft.
Sie schneidet ihm mit einer zierlichen Scheere die Haare ab.
Im Walde schleichen wohlgerüstet die Philister heran; zur
Seite ist eine schöne, reiche Aussicht. Sehr anziehend ist.
ferner ein kleines Bild _der Gemälde-Galerie des Berliner
Museums, welches Apollo und Diana im Walde vorzustellen
scheint. Beide sind nackt. Apollo, ein bärtiger Wann mit
Pfeil und Bogen, ist zwar, wie gewöhnlich Cranaclfs männ-
liche Figuren der Art, nicht sonderlich bedeutend. Diana
dagegen, die in einer zierlich naiven Stellung auf dem Rücken
eines stattlichen Hirsehes sitzt, hat einen eigenthümlichen
Liebreiz; es ist die jungfräuliche Königin des Waldes, die
der Jäger zur einsamen Mittagsstunde zuweilen an heimlicher
Stätte erblickt; ein phantastischer Nachklang verschollener Ge-
bilde des Alterthums.
Aehnliche Gestalten hat Cranach mannigfach darzustellen
beliebt, vornehmlich Venusbilder, denen man nicht selten in
i?) Der Apfel, den auf einem entsprechenden Holzschnitt Cranaclfs
die Eine der nackten Schönen in der Hand trägt, lässt wohl keinen
Zweifel, dass das bekannte Urtheil des Paris gemeint ist. Der Alte
mit dem Flügelhelm ist Niemand anders als Merkur, der übrigens
(wie die ganze Darstellung) u. a. in einer altfranzösischen Miniatur im
Berliner Kupfersticlicabinct beiAltdorfer (Bartsch N0. 60) und auch anders-
wo, -z. B. in den alten Tarokkarten des Ugiogo di Mantegna" ähnlich zu er-
blicken ist. Noch weniger als an "Tannhäuser" wird natürlich (mit
Rathgeber und Schuchardf) an König Alfred und die _drei 'I'öchter
Albonaks zu denken sein. Vergl. Kugler selbst im D. Kstbl. 1852 3.60.
Den Kern seiner Behauptungen, das Phantastische in Cranachs be-
treffenden Bildern dürfte wohl Niemand anfechtenwollen. v. B1.