490
Buch IV.
Norden.
XVI. Jahrhundert.
Dürer.
14, Ganz derbGegensatz des ebengenannten Blattes ist der
gleichzeitige Kupferstieh, welcher den heil. Hieronymus in
seiner Studierstube darstellt. Hier sehen wir ebenfalls eine
. menschliche Gestalt, die in tiefe Gedanken versunken ist,
und ein Zimmer voll des mannigfachsten Apparates; auch
hier ist das Ganze mit sinnigster Phantasie angeordnet, zu-
gleich aber ist darüber eine Heiterkeit und Anmuth ausge-
gossen, welche alle Träume, alle wesenlosen Gestalten der
Einbildungskraft fern hält, und uns das wirkliche Leben
einfacher Häuslichkeit in seiner liebenswürdigsten Gestalt
zeigt. Gerhard Dow, der gemüthvollste unter den hollän-
dischen Genremalern, hat nichts so Anziehendes und Inniges
geschaffen, wie dies Blatt, welches auch in den geringfügig-
st.en Nebendingen den Stempel eines edlen, liebevollen
Geistes trägt.
15_ Von 1514 ab, bis in die zwanziger Jahre, erschienen
verschiedene Tiupferstiche von Madonnen und Aposteln,
welche im Einzelnen wiederum Beispiele einer würdigen und
edlen Gesammtaildassung enthalten.
16. Mit der J ahrzahl 1515 ist Dürefs grösstes Holzschnitt-
werk bezeichnet; die Ehren-Pforte des Kaisers Maximilian,
ein seltsam weitschichtiges Werk mit einer unendlichen
Fülle historischer Darstellungen, Portraitfiguren und bunten"
Ornamentes. An eine eigentliche, kunstgemässe Totalwir-
kung, ist bei demselben freilich nicht zu denken, und um
so weniger, als auch die Architektur, die das Ganze zusam-
menhält und in gewisse Haupttheile sondert, durch die bild-
liehen Darstellungen ungemein beschränkt worden ist; gleich-
wohl fehlt es dem Ganzen nicht an einem zweckmässigen
Verhältniss. Die Architektur ist in barock phantastischen
Formen gehalten, dieselben sind jedoch in einer eigenthüm-
lieh geistreichen Weise zusammengesetzt; vornehmlich gilt
(lies von den Haupt-Säulenpaaren, deren merkwürdige Com-
position vmit vollkommener Consequenz darauf berechnet ist,
dass sie nicht dem Druck eines durchlaufenden Gebälkes
zu begegnen haben, SOIIdCPII im Wesentlichen nur isolirte
Mauernischen mit Statuen tragen. Die Ornamente sind im