486
Buch IV.
Norden.
XVI.
Jahrhundert.
Dürer.
9-2351
Gestalten der Dreieinigkeit sind würdig und nicht unschön.
Sonst fehlt jedoch auch in diesem Bilde fast überall die
höhere Auffassung und nur wenig Köpfe der andren Figuren,
wie z. B. der des David, sind schön zu nennen. Der Mehr-
zahl nach zeigt sich hier wiederum eine phantastische und
bis an die Caricatur gränzende Auffassung des gemeinen
Lebens, selbst in den Gestalten der Heiligen. Man sieht es
deutlich, dass das Streben Dürer's, wo er mit Bewusstsein
und Absicht in die Durchführung des Einzelnen einging, zu
dieser Zeit nicht dahin gerichtet war, die irdische Form des
Menschen von ihren Mängeln" und Zufälligkeiten zu reinigen,
sondern dass er vielmehr der Individualität in ihrer Befangen-
heit einen gültigen Werth zuerkannte; dass er sie nur durch
ein Wunder (denn was ist sein fphantasmagorisches Farben-
spiel und dgl. anders?) zu erheben vermochte, statt ihr durch
innere Bedeutsamkeit der Form eine höhere Weihe zu geben.
Uebrigens ist es mit Gewissheit anzunehmen, dass er selbst
auf diejenigen Bilder, auf denen er sein eignes Portrait an-
gebracht, einen vorzüglichen Werth legte.
Aus dem folgenden Jahre (1512) besitzt dic Galerie des
Belvedere ebenfalls ein Gemälde: Maria, das nackte Kind
haltend. Maria trägt einen Schleier über dem Haupte und
ein blaues Gewand. Auch hier zwar ist ihr Gesicht in den
gewöhnlichen Formen Dürefs, aber zugleich von zart
jungfräulichem Charakter; das Kind ist schön, besonders
das Gesicht ausgezeichnet. Das Bild ist ausserorclentlich
saulger gemalt, leider mit graulichen Schattentönen im
Nackten.
Hier mag die Betrachtung einer Reihe von Dürefschen
Gemälden eingeschaltet werden , über deren Zeit keine
sicheren Daten vorhanden sind und die, der Mehrzahl nach,
er mittlern Periode des Künstlers angehören dürften.
3. Maria, Anna und das schlafende Kind, ehemals in der
- Schleissheimer Galerie, hing ungünstig; die Auflassung ohne
sonderliehe Tiefe, die Ausführung, wie es schien, tüchtig.
4- Mater dolorosa, in der Münchner Pinakothek. Stehend,
mit gefaltenen Händen; schön, einfach und würdig.