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Buch IV. Norden.
XVI. Jahrhundert.
A
Dürer.
237.238.
halten eine Fülle geistreicher Motive und sind von Dürer
mannigfach zu späteren WVerken benutzt und umgearbeitet
worden. Die Darstellung der Kreuzabnahme. welche unter
diesen Handzeichnungen vorkömmt, ist der Composition nach
so grandios, so meisterhaft geordnet, wie derselbe Gegenstand
nur von wenig Künstlern behandelt sein dürfte. Doch scheint
auf diesem Blatt die Jahrzahl nicht ganz sicher und könnte,
möglicher Weise, auch 1524 heissen.
g. 238. Im Jahre 1506 machte Dürer eine Reise nach
dem oberen Italien und hielt sich vornehmlich längere Zeit
zu Venedig auf. Von seinem Treiben in dieser Stadt geben
uns die Briefe, die er an seinen Freund Wilibald Pirckheimer
schrieb und die auf unsre Zeit gekommen sind, mannigfach
interessante Kunde. Dort fertigte er für die deutsche Ge-
sellschaft ein Gemälde, welches ihm grossen Ruhm brachte
und mit dessen leuchtenden Farben er das Gerede seiner
Neider „stille machte, die da sagten, er sei im Stechen gut,
im Malen aber wisse er nicht mit Farben umzugehen." Nach
der gewöhnlichen Annahme war dies ein Gemälde der Marter
des heil. Bartholomäus, welches sich im Anfange des XVII.
Jahrhunderts zu Prag in der reichen Galerie des Kaisers
Rudolph II. befunden haben und gegenwärtig verschollen sein
soll. Doch scheint diese Annahme nicht genügend begrün-
det, und es wird vielmehr ein andres Dürefsches Bild vom
Jahre 1506, welches sich noch zu Prag, in dem Prämonstra-
tenser-Stift Strahow befindet und eine Maria, von Engeln
gekrönt und von dem Kaiser, dem Papst und vielen geistlichen
und weltlichen Fürsten umgeben, darstellt, mit gutem Grund
für das in Rede stehende Gemälde gehalten"). Leider ist das-
4:) Obige Berichtigung der gewöhnlichen Angabe verdanke ich
einer gütigen Mittheilung des Herrn Premierlieutenants Becker zu
Münster, Welcher mir s. Z. hierüber Folgendes schrieb;
"Hirt macht bereits, bei Gelegenheit einer Recension von Dürers
"Lebexi, in den Berliner Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik, 1829,
„S. 571, darauf aufmerksam, dass das in Rede stehende Gemälde zwar
"für die Bart-holomäus-Kirche in Venedig gemalt worden, jedoch keines-