Albrecht
Dürer.
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die Abfassung verschiedener theoretischer Werke i") bestätigt),
diese Eigenschaften, so scheint es, mussten hinreichend
sein, um ihn den ersten Künstlern, welche die Welt kennt,
an die Seite zu setzen. Aber wiederum jener allgemeine
Hang zum Phantastischen war es, dem auch er nicht zu ent-
sagen vermochte, und der die reine Entwickelung seiner
künstlerischen Kraft mannigfach verkümmert hat. Allerdings
zwar hat bei ihm diese Richtung auf's Phantastische einzelne
wundersame Blüthen getrieben, wie sie in gleicher Bedeut-
samkeit uns fast nirgend begegnen, hat sie einzelne Werke
{ich möchte dieselben am liebsten als "Gedichte" bezeichnen)
ins Leben gerufen, deren geheimnissvoller Inhalt uns mit
unauflöslichem Interesse an sich zieht; blicken wir jedoch
auf das höchste Ziel der Kunst, auf die Schönheit, Welche
das Geheimniss offenbar machen, Inhalt und Form als Eins
und untrennbar darstellen soll, so finden wir hier nur im
seltensten Falle eine vollkommene Befriedigung. Voller
Leben und. Charakter ist Dürers Zeichnung; gleichwohl tritt
uns hier manches befremdliche Motiv der Bewegung, besonders
bei Darstellungen des Nackten, entgegen, auch ist seine Gewan-
dung häufig auf eine seltsame WTeise zugeschnitten, 'welche viel-
leicht eine besondere Mode seiner Zeit befolgte, doch keines-
weges der Entwickelung der Formen des Körpers günstig
ist. Bei idealer Gewandung zeichnet er die Falten fast über-
all in schönen grossen Massen; wiederum jedoch kann er in
den Brüchen und Ecken jene wunderliche Manier fast nir-
gend lassen, welche das Auge verwirrt und den edleren Ein-
druck der Hauptformen stört. Seine Farbe hat einen eigen-
thümlichen Glanz und an sich eine Schönheit, welche viel-
fach andre Gemälde überstrahlt; aber es ist nicht eine Nach-
ahmung der kräftigen und vollen Weise, in Welcher uns die
Farbe an den Gegenständen der Natur erscheint; es ist viel-
mehr ein unabhängiges Spiel der Phantasie in Glanz und
a) Underweysung der messung mit dem zirckel und richtscheyt etc_
1525. Etlihche underricht zu befestigung der Stett, Schlosz und Hecken,
1527. Vier Bücher von menschlicher Proportion, 1528. (Von allen
verschiedene spätere Ausgaben und Uebersetzungen).