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Neue
Gegenstände
und
Darstellungsweisen.
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Von grösster Bedeutung ist es nun, zumal in Bezug auf
diese phantastische Auffassungsweise,_ dass mit dem XVI.
Jahrhundert die Malerei in ihre verschiedenen Gattungen
auseinander ging. Nicht nur nimmt die profane Geschichts-
malerei sainmt den Mythen des Alterthums fast plötzlich eine
sehr bedeutende Stelle neben der religiösen ein; auch das
Genrebild und die Landschaft trennen sich entschieden ab
und bald folgt auch das Stillleben. Die Elemente dieser
Trennung waren schon in dem grossen Johann van Eyck
zu erkennen; schon bei ihm waren die einzelnen Theile der
malerischen Darstellung reichlich ausgebildet genug, um als
abgesonderte Gattungen auftreten zu können; dass es noch
nicht geschah, lag an dem übermächtigen kirchlichen Gegen-
druck der Zeit. Dieser hatte jetzt aufgehört, die Kunst
war frei der Subjectivität des Malers und des Bestellers hin-
gegeben.
Diese Befreiung der Subjectivität driickt sich übrigens
wie gesagt schon innerhalb der Historienmalerei auf das
Deutlichste aus. Die Darstellungen aus der Mythe und Ge-
schichte des Alterthums, wofür der Humanismus jener Zeit
eine grosse Begeisterung erweckt hatte, nehmen auf einmal
überhand, und zwar nicht so sehr in Staffeleibildern, wie in
den Fresken der Rathhiiuser, ja selbst an den lilacaden
ansehnlicher Bürgerwohnungen. Gleichzeitig hatte man auch
in allem Decorativen die italienische Renaissance angenom-
men, wahrscheinlich nach Kupferstichen und Holzschnitten
z. B. Mantegnas, "wenigstens erinnert die Verzierung der
dargestellten Baulichkeiten mit steinfarbigen Reliefs antiken
Inhaltes, mit Fruchtschnüren u. dgl. direct an paduanische
Weise. Selbst einzelnes liligürliche, wie z; B. die nackten
Engelkinder in Gestalt von Genien, welche jetzt oft die Stelle
der erwachsenen und bekleideten Engel einnehmen, erklärt
sich. am nächsten durch diesen Einfluss. Bei weitem das
Grösste und Wichtigste bleibt jedoch die selbständige, ein-
heimische Entwickelung, dieses neue tiefe Eindringen in die
Wirklichkeit der Dinge sowohl als in den höhern geistigen
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