Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 2)

Neue 
Gegenstände 
und Darstellungsweisen. 
465 
wunderlichen Spiele der bildenden Kunst, die wir so häufig 
in den Ornamenten unsrer mittelalterlichen Bauwerke, in den 
Randverzierungen unsrer  alten Pergamenthandschrilten vor- 
finden. Aber wo die Phantasie ins Maass- und Grenzenlose 
hinausschweift, wo sie nicht dem gesetzlichen Organismus 
nachfolgt, welcher den Typus der Naturformen nachbildet, 
wo sie in eigner Willkür zu herrschen strebt, da ist das 
Reich der Schönheit gefährdet. Die Träume. der Phantasie 
können sich zum tiefsinnigen Spiele gestalten, sie können 
sich in einer gemüthlich anziehenden Sphäre bewegen; aber 
die Phantasie wird erst dann, Wenn sie sich dem allein wahr- 
Vhaften Gesetze der Schönheit unterworfen, wenn die rohe 
Gewalt dämonischer Mächte gebrochen ist, zum Zeugniss 
eines edlen, gereinigten, zum Höchsten gerichteten Sinnes.  
Dieser Hang zum Phantastischen verleugnet sich schon in 
den früheren Entwickelungsperioden der nordischen Kunst 
nicht ganz, wenngleich er freilich zumeist nur in mehr unter- 
geordneten Beziehungen sichtbar wird und in einzelnen sel- 
tenen Fällen auch mit den höheren Ansprüchen der Schön- 
heit vereint bleibt. Er äussert sich z. B. bereits in jener 
übertriebenen Charakteristik, die in einzelnen Werken der 
altkölnischen Schule (Bd. I, S. 280) hervortritt; in der Hölle 
des berühmten Danziger Bildes (Bd. II, S. 399), in jener 
Darstellung der apokalyptischen Vision Memlings (Bd. II, 
S. 393), in den tollen Productionen des Hieronymus Bosch 
(Btl. II, S. 408); vornehmlich jedoch bei den Deutschen der 
späteren Zeit des XV. Jahrhunderts, bei den Kölnern, bei 
Martin Schön, dem älteren Holbein, den westphälischen 
Künstlern u. s. w.  Warum aber trat bei diesen, warum 
gerade in den letzten Momenten der Entwickelung deutscher 
Kunst jenes hemmende Element aufs Neue und mit über- 
wiegender Kraft hervor?  Ich glaube, der Grund liegt in 
den allgemeinen geschichtlichen Verhältnissen. Es ist" der 
Geist des Protestantismus, der sich darin ankündigt, der das 
Licht der Wissenschaft anzündete, auf die Kunst jedoch 
scheinbar verderblich einwirken musste._ Denn er gab zu- 
nächst dem Gedanken, im Gegensatz gegen das irregeleitete 
Kugler Malerei u. 30
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.