Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 2)

452 
Buch IV. Norden. 
Jahrhundert. 
Deutschland. 
233. 
Charakteristik geltend, die mit der feinen Individualisirung 
des ältern Holbein, mit der Anmuth der Ulmer Schule, mit 
dem edlen Gefühl Schongauers deutlich contrastirt und einen 
positiven Mangel an Schönheitssinn verräth. Die Gestalten 
der Widersacher Christi z. B. machen hier insgemein die 
wichtigsten Werke ungeniessbar und nach Umständen ab"- 
scheulich. 
Der vorzüglichste Künstler dieser Schule f) ist Michael 
Wohlgemuth (geb. 1434, st. 1519). Aus seiner Werkstatt 
in Nürnberg gingen zahllose Werke hervor, wovon oft der 
grösste Theil rohe Gesellenarbeit ist. Dies war eine so no- 
torische Thatsache, dass der Rath von Schwabachtim Jahre 
1507 für nöthig fand, in den Contract über einen Hochaltar 
folgende, für das rein handwerkliche Verhältniss wahrhaft 
bezeichnende Klausel aufzunehmen; „wo die Tafel an einem 
oder mer Orten ungestalt wurd", müsse Vtrohlgemtith sie 
ändern, bis sie von einer beiderseitigen Commission als 
vwohlgestalt" anerkannt würde; „wo aber die Tafel der- 
massen so grossen Üngestalt gewinn, der nit zu endern vvere, 
Soi soll er soliche Tafeln selbs behalten und das gegeben 
Gelt on Abgang und Schaden widergebenff- Aber abge- 
sehen von den oft wahrhaft wüsten, verwilderten Malereien 
der Gehülfen, ist auch das Eigenhändige von verschieden-- 
stem WVerthe; der Meister bewegt sich in den Extremen eines 
ihm eigenen Ideales und einer carrikirten Hässlichkeit, welche 
hier zum ersten Male in der Kunstgeschichte mit aller Ab- 
sicht als künstlerisches Motiv behandelt zu sein scheint. Die 
Handrische Schule, welche in ihrem Individualismus meist ein 
bestimmtes Maass zu halten wusste, kannte er wahrscheinlich 
nicht. Auch sein Ideal, mit den dicken Backenknochen, 
schmalen Schultern und verdrehten Hüften lässt trotz der 
feinen Nasen und milden Augen, trotz des angenehm rund- 
lichen Kopfes und des kleinen Mundes viel zu wünschen 
übrig, obwohl es sich hie und da. bis zum Zarten und 
ü) Vergl. R. v. Rettberg, Nürnberger Briefe, 
Waagen, Deutschland, a. m. O. 
142 
und
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.