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Buch IV.
Norden.
Jahrhundert.
Deutschland.
Pilatus und die Geisselung darstellen. Man wird in diesen
zum Theil allerdings manierirten und verzerrten Gestalten
weniger einen bedeutenden geistigen Inhalt als vielmehr die
grosse Freiheit und Lebendigkeit der ganzen Darstellung
anzuerkennen haben, welche zu ganz neuen Kunstmitteln
durchzudringen im Begriffe ist. Das Zufällige, die Freude
am Detail tritt hier zurück; die Behandlung ist wohl flüch-
tig, aber von einer freien Breite, die Körperauffassung wohl
übertrieben, aber organisch lebendig, der LichteHekt wohl
grell, aber als künstlerisches Motiv mit Bewusstsein benützt.
Allerdings fallen diese Bilder möglicher Weise erst in die
letzte Lebenszeit des Meisters, als andere Künstler schon
eine eben so freie Darstellungsweise errungen hatten.
Von Siegmund Holbein, welcher noch 1540 in Bern
13, lebte, ist ein bezeichnetes kleines Bild auf Goldgrund in der
Sammlung des Landauer Brüderhauses zu Nürnberg, Ma-
donna auf dem Throne, über ihr Engel, welche eine Krone
und einen Traghimmel halten, die Köpfe fein und edel, die
Gewandung fliessend, die Färbung von grosser Kraft, Wärme
14_ und Klarheit. Auch eine schöne, miniaturartig ausgeführte
Madonna vom J. 1499 in der Moritzkapelle zu Nürnberg,
bisher seinem Bruder zugeschrieben, möchte sein Werk sein;
die heil. Jungfrau mit dem Kinde und zwei blumenreichen-
den Engeln sitzt in einer gothischen Kapelle. Im Belvedere
m zu Wien zwei nicht sehr bedeutende Portraits. In der öffent-
16_ liehen Sammlung zu Basel befindet sich eine Reihe von Ge-
mälden aus dem Leben der Maria, welche in der Formen-
gebung und in der fester geschlossenen Composition etwas
an die Colmarer Schule erinnern, den sprechend naturalisti-
sehen Köpfen zufolge jedoch auf Augsburg hinweisen und
aus einem äussern Grunde wohl von Siegmund Holbein Sein
könnten. In der kräftigen und tiefen Färbung herrscht das
Rothbraun vor. Ein leidender Christus derselben Sammlung
ist eine nicht sehr bedeutende Nachahmung nach Dürer, sicher
nicht von Siegmunds Hand. Den jüngern Hans Hol-
bein, in welchem die Richtung der Augsburger Schule ihre