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Buch IV. Norden.
XV. Jahrhundert.
Deutschland.
ständigerer Art als der seiner meisten oberdeutschen Zeit-
genossen; es ist eine angeborene Freude an der Vielseitigkeit
des Lebens und der Charaktere, so dass z. B. die Portrait-
figuren, trotz der zu kurzen Verhältnisse, insgemein höchst
wahr und lebendig sind. Nach höherer Schönheit und idealer
Würde strebt der Meister dagegen weniger; der Reiz seiner
weiblichen Köpfe liegt mehr in einer genrchaften Anmuth,
Wozu noch die zarte Vollendung der äussern Darstellung, die
Weichheit des Farbenauftrages hinzukömmt. Zugleich aber
ist eben jenes phantastische Element, dessen wir bei einigen
Darstellungen Schongauefs gedachten, auch bei ihm und
zwar in erhöhtem Maasse ersichtlich, eine Neigung zu ge-
waltsamer und übertriebener Charakteristik, die vornehmlich
in denGestalten der Widersacher (in seinen mannigfachen
Darstellungen von Passionsgeschichten der Heiligen) auf
eigenthümliche Weise heraustritt. Er stellt das Böse nicht,
wie es auch wohl in deutschen Bildern der Zeit gefunden
'wird, in eigentlich hässlicher und ekelhaft gemeiner Gestalt
dar, sondern nur wie von einer unwillkürlichen dämonischen
.Leidenschaft gestachelt und durch dieselbe zu seltsam dis-
harmonischen Formen ausgeprägt. Man erblickt in seinen
Bildern mehrfach Gestalten, welche den Productionen unse-
rer romantischen Poesie als Vorbild gedient zu haben
scheinen; besonders häufig kehrt bei ihm unter den Wider-
sachern ein blasser Mann mit scharfgeknidener italienischer
Physiognomie, in grünem Jagdkleide und eine Hahnenfeder
auf dem Hute, wieder. Zunächst sind einige Bilder der
schon erwähnten Reihe in der Augsburger Galerie zu erwäh-
nen. Das eine, vom Jahre 1495, stellt in drei Abtheilungen
die Trinität, mehrere Heilige und sechs Scenen aus der Pas-
sion dar. Das zweite, vom Jahre 1502, enthält die Verklä;
rung, die Speisung der 5000, die Heilung eines Bggeggenen
und die sehr zahlreiche Genossenschaft des Stifters und seiner
Töchter. Der Hintergrund ist schon landschaftlich, das Blau
des Himmels aber noch sehr schwer. Besonders gelungen ist
der Besessene, mehr verzerrt dagegen der Ausdruck des
Staunens und Schreckens in den Jüngern; die Bildnisse sind