231.
Colmar:
Martin
Schongauer.
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Typus wegen nicht als Arbeit Schongauefs gelten. Eher
haben einige Stücke einer aus 16 Tafeln bestehenden Passion
Anspruch darauf, welche jedenfalls ein Werk seiner Schule
ist und mit seinen Kupferstichen desselben Inhalts inannigfach
übereinstimmt. Die betreffenden Stücke sind die Kreuzab-
nahme und die Grablegung, wozu vielleicht noch einzelne
Köpfe in den übrigen Bildern kommen, in Welchen sich
übrigens eine edlere, dem Meister näher stehende Hand von
einer rohern, faustmässigern unterscheiden lässt. Der Ent-
wurf gehört wahrscheinlich durchgängig dem Meister an,
welcher hier eine Fülle gedankenreicher Motive entwickelt
hat, obschon keines dieser Bilder seinem berühmten Kupfer-
stich der Kreuztragung an dramatischen Reichthum gleich
kömmt. Die Rückseiten der Tafeln sind so sehr zerstört,
dass man kaum nochieinige Gegenstände (von der Verkün-
digung bis zur Unterredung mit den Schriftgelehrten) erken-
11611 kann. Von Arbeiten der Schule besitzt die Colmarer
Sammlung u. a. zwei grosse Tafeln mit der Anbetung der
Hirten und der Anbetung der Könige, welche vielleicht erst
nach Schongauefs Kupferstichen gearbeitet sind. Theile
eines Altars mit figurenreichen Passionsbildern scheinen von
einem andern,sehr bedeutenden oberdeutschen Meister herzu-
rühren, welcher der tlandrischen Schule noch näher steht und
an einem herben, aber energischen Typus der Köpfe kennt-
lich ist. Von andern dem Schongauer zugeschriebenen Bil-
dern, will Waagen (Handb. d. Gesch. d. M. I. S. 176) nur
"den Tod Maria", ein treffliches kleines Bild, das aus der
Sammlung des Königs der" Niederlande in die Nationalgalerie
zu London gekommen ist, als echt (und zwar als das frühste
und zugleich schönste seiner Werke) gelten lassen; ausser-
dem den weiter unten angeführten „Siegeszug Davids" in
München, und eine Maria mit dem Kinde (N0. 30) in der
Sammlung zu Kensington.
Im Münster zu Thann im Oberelsass befindet sich indess
eine Tafel mit vier Heiligen auf Teppichgrund, welche eben-
falls ein Originalwerk Schongauer's zu sein scheint. Der tiefe
und wunderbare Ernst dieser Gestalten, die edle Gesammt-