Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 2)

231. 
Colmar: 
Martin 
Sehongauer. 
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theilung ihn bereits nicht mehr am Leben fand's). Dass er 
die niederländische Kunst gekannt, geht aus all seinen Wer- 
ken hervor, auch wird er ausdrücklich als Schüler Rogiers 
von Brügge bezeichnet; ausser seiner Grösse als Maler nimmt 
er auch unter den Kupferstechern eine vorzügliche Stelle ein, 
Seine Stiche wie seine Gemälde waren nicht bloss in Deutsch- 
land, sondern auch in Italien und anderwärts sehr geschätzt 
und es ist glaublich, dass er eine beträchtliche Schule zu be- 
schäftigen -im Stande war. 
Martin Schongauer erhebt sich kaum über die Befangen- 
heit der Körperbildung, Welche seinen übrigen deutschen Zeit- 
genossen eigen ist, aber er überragt sie durch ein unmittel- 
bares Streben nach voller, gcreifter Schönheit in den Gesichts- 
zügen, und durch ein höheres künstlerisches Bewusstsein in 
der Anordnung, welches sich hie und da mit einer höchst 
bedeutsamen dramatischen Bewegung verbindet. In einen 
Wettstreit mit den Flandrern, wie ihn die kölnische Schule 
eingegangen, liess er sich weniger ein als Herlen; er ahmt 
z. B. keine Kleiderstoffe mehr nach, seine Farbe hat etwas 
Allgemeines und folgt mehr einem vielleicht unbewussten 
Stylgesetz als der natürlichen Erscheinung, obwohl die Car- 
nation meist v'0n grosser Weichheit ist; seine Gewandung ist 
zwar scharf und eckig gebrochen, aber einfach imposant. Der 
tiefe Ernst, der seinem ganzen Wesen zu Grunde gelegen 
haben muss, liess ihn vielleicht gleichgültig gegen jene 
Aeusserlichkeiten der Darstellung, in welchen so manche sei- 
ner Zeitgenossen aufgingen; dagegen ist er reich an Würde 
und Schönheit, an jener Milde und Frömmigkeit, welche auf 
dem Boden eines mit sich und der Welt versöhnten Gemüthes 
beruht und von befangener Devotion wie von phantastischer 
Schwärmerei entfernt ist; überall begegnet man, wenn auch 
ü) Sein Bmder Caspar wurde schon 1445 in das Colmarel- Bürger- 
"recht aufgenommen. Wir verdanken diese u. a. Notizen der Güte des 
Hrn. Arehivars Hugot in Colmar.  Ueber flie Ulmer Familie der 
Schön vgl. Ulms Kunstleben etc. S. 34; über die Verwandten Maliills 
in Colmar, welche grossentheils ebenfalls Künstler waren, vgl. Passa- 
W'_8.l1t, im Kunstbl. 1846, N0. 41'und 42. (Anm. der Il. Aufl.)
	        
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