Luca.
Signorelli.
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die Propheten, Benozzo Gozzoli die Apo tel und Märtyrer:
dargestellt; jetzt vollendete Luca das Werk, allerdings wohl
nicht, in dem Sinne, in Welchem Fiesole es begonnen, allein
doch so, dass ausser Leonardo kein Meister der realistischen
Kunstrichtung des XV. Jahrhunderts Grösseres als dieses ge-
schaffen hat. Die Hauptsache sind vier grosse Darstellungen
an den beiden Seitenwänden. Hier sieht man die Geschichte
des Antichrist mit höchst charaktervollen Figuren, sodann die
Auferweckung der Todten, die Hölle und das Paradies, alles
höchst inhaltreiche, bewegte und ausdrucksvolle Compositio-
nen, meist von nackten-Gestalten, voll gewaltigen innern Le-
bens. Eine zwar noch strenge, aber sehr vollkommene und
edle Zeichnung des Nackten, eine Fülle neuer, früher noch
nicht dargestellter Körpermotive Endet sich in diesen Dar-
stellungen mit Vorliebe und mit Glück angewandt; bei höch-
ster plastischer Virtuosität ist doch das ängstliche Bestreben
nach blosser anatomischer Richtigkeit bereits überwunden und
an dessen Stelle eine eigenthümliche Grossartigkeit und Er-
habenheit getreten, welche sowohl den Darstellungen heiterer
Ruhe und Seligkeit, als leidenschaftlicher, phantastischer Be-
wegung aufgeprägt ist. Man wird durchaus an die WVeise
Michelangelds erinnert, als dessen beinahe ebenbürtiger Vor-
gänger Luca hier auftritt. Es ist dieselbe Unterordnung alles
Zufälligen unter die lebendige Herrlichkeit der reinen Kör-
perform, nur ist dieselbe hier nicht mit der dämonischen
Grösse Michelangelds aufgefasst. Auch in der Gewandung
erscheint Luca hier nicht selten sehr vorzüglich und verräth
im Einzelnen eine glückliche Nachahmung der Antike. Den
untern Theil der Wände nimmt eine dekorativ gehaltene
Malerei, meist grau in grau, ein; in Rundbildern sieht man
die Dichter des Jenseits und der Unterwelt, Hesiod, Virgil
(Wegen des VI. Buches der Aeneide), Claudian (wegen des
„Raubes der Proserpina"), und Dante, umgeben von zahl-
reichen kleinern Darstellungen aus dem Gebiet der Allegorie
und der heidnischen Mythe, welche mit der für jene Zeit be-
zeichnenden Unbefangenheit. mit den; Hauptgedanken in Ver-
bindung gebracht sind.