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Hans
Memling.
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treffliches kleines Diptychon vom Jahre 1487, ehemals im
Hospital S. Julien, hieher versetzt worden; es stellt auf dem
einen Bilde die Maria in einem alterthiimlichen Zimmer, dem
Kinde einen Apfel reichend, dar; auf dem andern Bilde den
am Betpult knienden Donator, welchen man schon in einem
auf dem ersten Bilde befindlichen Hohlspiegel" erblickt.
Ausserdern befindet sich in demselben Saale des St. Jo-
hannis-Hospitals der berühmte Reliquienkasten der heil. Ur-
sula (la chässe de Ste. Ursule), ein Schrein von etwa vier
Fuss Länge, in den Formen einer zierlich reichen gothischen
Kirchen-Architektur, wie die grösseren Reliquienbehälter
häufig gefunden werden, gebildet. Sämmtliche Aussenseiten
dieses Kastens sind von Memling mit miniaturähnlich ausge-
führten Oelbildchen geschmückt. Auf beiden Dachseiten
finden sich je drei Medaillons, ein grösseres in der Mitte und
zwei kleinere auf den Seiten; in den letzteren musicirende
Engel, in den mittleren auf der einen Seite die Krönung der
Maria, auf der anderen Seite die Verklärung der heil. Ursula
mit ihren Gefährtinnen und zwei bischöflichen Gestalten.
Auf den Giebelseiten ist vorn die heilige Jungfrau mit dem
Kinde, zwei Spitalschwestern vor ihr kniend, hinten die heil.
Ursula mit dem Pfeil, dem Zeichen ihres Martyrthums, und
die Jungfrauen, die sie unter ihrem ausgebreiteten Mantel in
Schutz nimmt, dargestellt. An den Langseiten des Kastens
ist in sechs etwas grösseren Feldern, von gothischen Arka-.
den eingefasst, die Geschichte der heil. Ursula gemalt. Es
ist die Legende, wie die Heilige, eine Königstochter aus
England, mit einer unzählbaren Schaar von Genossinnen,
mit ihrem frommen Geliebten, und ritterlicher Geleitschaft,
auf göttlichen Befehl nach Rom zieht und auf der Heimreise,
bei Köln, den Märtyrertod erleidet. Die einzelnen Bilder
haben folgenden Inhalt: l) Landung bei Köln, zu Anfang
der Reise. Ursula im fürstlichen Purpur steigt aus dem
Nachen ans Land; Perlen schmücken die Flechten ihres
Haares, eine Jungfrau zu ihrer Seite trägt ein Kästchen mit
Geschmeide. Freundlich, in frommer Bescheidenheit, neigt
sie sich. gegen die. sie empfangenden Jungfrauen. Die An-