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Buch IV.
Norden.
XV. Jahrhundert.
Flandrer.
risch gewiss, nur dass er in den Jahren 1477 und 78 in sehr
dürftigen, bis zum Jahr 1487 vielleicht in etwas bessern
Umständen in Brügge gelebt, doch haben neue urkundliche
Forschungen (des Engländers Weale) in Brügge festgestellt,
dass Memling (entgegen der alten Nachricht von Dürftigkeitö
ein Haus daselbst besessen, einmal selbst der Stadt Geld
geliehen, mit seiner Frau (die 1487 gestorben) drei Kinder
gehabt, und im Jahr 1495 das Zeitliche gesegnet hat. Früher
soll er sich einige Zeit in Italien aufgehalten und in den
letzten Jahren des XV. Jahrhunderts in Spanien gearbeitet
haben, letzteres, sofern man für einen von den Spaniern
hochgerühmten J uan Flamenco (Johann der Flamänder, vergl.
unten) ihn in Vorschlag zu bringen pflegt. Neuere Forschun-
gen machen indess diese Identität sehr unwahrscheinlich.
Memlingfasst in seinen Gemälden die Weise der Eyck'-
sehen Schule in einem eigenthümlich strengen Sinne auf. Die
Züge der Gesichter sind bei ihm weniger lieblich, aber
ernster, die Gestalten nicht ganz so zierlich schlank, die
Bewegungen Weniger weich, die Behandlung, wie schon be-
merkt, schärfer und mit genauerer Ausbildung des Einzelnen.
In der Gruppenanordnung befolgt er eine strenge Symmetrie
und beschränkt sich gern auf die nöthigsten Personen; da-
gegen sucht er das Geschichtliche zu erschöpfen und giebt
gern im Hintergrunds die Begebenheiten vor und nach der
Haupthandlung in kleinerem Maasstabe. Vorzugsweise zeigt
sich der ernstere Geist in der Auffassung und Färbung der
Landschaften. Wenn diese bei Johann van Eyck im Früh-
lingslichte schimmern, so ist bei ihm die Reife des Sommers
eingetreten: das Grün dimkler, bläulicher, die Matten gleich-
mässiger gefärbt, die Bäume dichter belaubt, ihre Schatten
stärker, die Lichtmassen grösser und ruhiger; in andren
Fällen auch sind seine Landschaften mehr in einfarbig hel-
lerem herbstlichem Charakter gehalten. Ueberaus glücklich
endlich ist er in solchen Darstellungen, welche den höchsten
Glanz des stärksten Lichtes voraussetzen, wie im Sonnen-
aufgange, oder in strengen, ungewöhnlichen Farbenerschei-
nungen, bei Visionen u. dgl.